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Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Titel: Ein Spiel, das die Götter sich leisten
Autoren: Selim Özdogan
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zustrebte. Jetzt war ich ganz nah dran gewesen, aber ich konnte den Schleier nicht fortreißen, wie früher konnte ich nur versuchen, durch ihn hindurchzusehen, um etwas zu erkennen, das man nicht festhalten konnte.
    Als ich zahlen wollte, sagte der Kellner, die Rechnung sei schon beglichen. Das wunderte mich, weil Borell nicht mal aufgestanden war, um auf die Toilette zu gehen, er hatte mir die ganze Zeit gegenübergesessen, und auch als er das Café verließ, hatte ich ihn nicht zahlen sehen.
    Als wir wieder auf der Straße standen, fragte Oriana:
    – Wirst du mir beibringen, Türkisch zu sprechen? Es hört sich schön an.
    – Senin şurani burani okşamak istiyorum.
    Beim vierten Versuch wiederholte sie den Satz fehlerfrei.
    – Ich zeige dir später, was das heißt, sagte ich.
    – Wie ist das, ihn getroffen zu haben? fragte sie.
    – Seltsam. Unwirklich. Und es hat nichts geändert. Es reicht, daß es ihn gibt, wie eine Art Gott, von dem du dir keine Vorstellung machen kannst, aber in deinem Herzen weißt du, daß er wichtig ist für dich, und du bist dankbar. Er ist unerreichbar. Jahrelang habe ich mir vorgestellt, er sei ein Heiliger. Als ich vierzehn war, habe ich diese Stelle bei Leonard Cohen gelesen und mußte sofort an Borell denken: Ein Heiliger ist jemand, der eine entlegene menschliche Möglichkeit verwirklicht hat. Es ist unmöglich zu sagen, was diese Möglichkeit ist. Ich glaube, sie hat etwas mit der Kraft der Liebe zu tun. Mit dieser Liebe verbunden zu sein bedeutet, daß man einen gewissen Gleichmut im Chaos des Lebens aufrechterhalten kann. Ein Heiliger kann das Chaos nicht entwirren, wenn er das könnte, hätte sich die Welt schon vor langem geändert. Ich glaube nicht, daß ein Heiliger das Chaos auch nur für sich selbst entwirrt, denn es ist etwas Anmaßendes und Kriegerisches in der Vorstellung von einem Menschen, der das Weltall in Ordnung bringt. Etwas in ihm liebt die Welt so, daß er sich den Gesetzen der Schwerkraft und des Zufalls unterwirft. Sein Haus ist gefährdet und begrenzt, aber er ist in der Welt daheim. Siehst du, ich dachte, Borell sei einer dieser Heiligen.
    Wir sahen uns an, und ein Prickeln stieg von meinem Steißbein bis hoch in den Kopf. Oriana berührte mich mit ihren Augen, sie sagten, ja, genau das ist ein Heiliger, wir sollten alle danach streben, solche ausgleichenden Ungeheuer der Liebe zu werden. Wir standen da, ohne ein Wort, ich glaubte zu wissen, was sie wollte, ich glaubte, ihren Wunsch zu spüren.
     
    Wir liefen ziellos durch die Straßen, als seien wir willkommene Opfer für die Händler, die uns alles mögliche auf schwatzen wollten.
    – Hast du noch was? fragte mich jemand, der sich unbemerkt genähert hatte.
    Ich drehte meinen Kopf und erkannte die kleine tätowierte Frau von gestern, meine letzte Kundin.
    – Leider nicht.
    – Schade, sagte sie, drehte sich um, und dieses Mal hing die Hose noch tiefer, man sah die Ansätze ihrer Pobacken.
    – Ja, schade, murmelte ich und stellte mir vor, wie sie die Hosen runterließ und sich über eine Sofalehne beugte, ihr Hintern groß und rund und leuchtend wie das Licht am Ende des Tunnels.
    Als Oriana und ich auf unser Zimmer gingen, um uns vor dem Abendessen noch ein wenig hinzulegen, hatte ich Lust. Vielleicht wollte ich mich aber auch nur ablenken.
    – Komm, setz dich auf den Stuhl, sagte ich.
    Ich verband ihr die Augen, zog ihr die Hose mitsamt Slip runter und fesselte ihre Hände an die Lehnen des Stuhls.
    – Warte hier, sagte ich, ich muß noch ein paar Sachen besorgen, es dauert nicht lange. Mach dir keine Sorgen, beweg dich nicht.
    – Mesut …
    – Keine Fragen, entspann dich, es wird schön werden, versprochen.
    Ich hastete runter, kaufte gegrillte Tintenfische und gefüllte Muscheln an einem Stand, Oliven, Walnüsse, Erdnüsse, Honig, Basilikum, Zimt, Erdbeeren, Lavendelseife, einen Schminkpinsel mit weichen Borsten, eine Gurke, eine Schere, gebrannte Mandeln, Cola, Bitter Lemon, Wasser, Räucherstäbchen, ein Stück Käse, einige Kirschen, Kekse, Babyöl, Schokolade. Mit einer großen Tüte in der Hand stürmte ich in einen Sexshop. Es war wie überall in solchen Touristenorten, hier konnten die Menschen ihrer alltäglichen Persönlichkeit entkommen, hier konnten sie fremde Leute sein. Hier waren mehr Pärchen und Frauen ohne Begleitung in einem Sexshop, als man es sonst irgendwo sehen konnte. Ich fand, was ich suchte, und blätterte bedenkenlos die Scheine auf die Theke.
    Als ich die
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