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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus
Autoren: Nicci French
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entlanggehen.« Ernst zeigte er in die Richtung.
    »Dann erreichen Sie einen Fußweg.«
    »Kann ich nicht einfach …?«
    »Nein.«
    Er lächelte mich an, nicht unfreundlich. Sein Hemd war am Hals falsch zugeknöpft.
    »Ich dachte immer, auf dem Land kann man überall frei herumlaufen.«
    »Sehen Sie meinen Wald da drüben?« fragte er grimmig.
    »Jungen aus Lymne« – er sprach es aus wie »Lumney« – »haben angefangen, auf dem Weg durch den Wald Fahrrad zu fahren.
    Dann kamen sie mit Motorrädern. Sie haben die Kühe erschreckt und den Weg unpassierbar gemacht. Letztes Frühjahr sind ein paar Leute mit einem Hund über das Feld meines Nachbarn gegangen und haben drei von seinen Lämmern getötet. Ganz zu schweigen von all den Gattern, die sie offenlassen.«
    »Das tut mir leid, aber …«

    »Und Rod Wilson, gleich da drüben, der hat früher Kälber rüber nach Ostende geschickt. Sie haben angefangen, Streikposten am Hafen in Goldswan Green aufzustellen. Vor ein paar Monaten wurde Rods Scheune niedergebrannt.
    Nächstesmal ist es vielleicht ein Haus. Und dann sind da das Winterton und die Thell-Jagd.«
    »Schon gut, schon gut. Wissen Sie, was ich machen werde?
    Ich werde wieder über diesen Zaun klettern und in einem großen Bogen um Ihr Land herumgehen.«
    »Kommen Sie aus London?«
    »Früher habe ich in London gewohnt. Ich habe Elm House auf der anderen Seite von Lymne gekauft. Lumney. Sie wissen schon, das Haus, wo es überhaupt keine Ulmen gibt.«
    »Also ist es denen endlich gelungen, es loszuwerden.«
    »Ich bin aufs Land gekommen, um dem Großstadtstreß zu entkommen.«
    »Sind Sie ja. Wir haben immer gern Besucher aus London. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«

    Freunde hatten gedacht, ich mache Witze, als ich sagte, ich würde am Krankenhaus in Stamford arbeiten und auf dem Land wohnen. Ich habe immer nur in London gelebt – in London oder zumindest seinen Vorstädten bin ich aufgewachsen, zur Universität gegangen, habe meine Assistenzzeit absolviert und gearbeitet. Was ist mit Geschäften, die Essen ins Haus liefern?
    hatte einer gefragt. Und was ist mit Spätfilmen, Läden, die rund um die Uhr geöffnet haben, Babysitten, M&S-Mahlzeiten, Schachpartnern?
    Und Danny, als ich endlich den Mut aufbrachte, es ihm zu sagen, hatte mich mit Augen voller Wut und Verletzung angesehen.
    »Was soll das, Sam? Willst du dich auf irgendeiner verdammten Dorfwiese ganz intensiv deinem Kind widmen?
    Sonntags Lunchs geben und Blumenzwiebeln pflanzen?« Ich hatte tatsächlich an ein paar Blumenzwiebeln gedacht.
    »Oder«, hatte Danny weiter gesagt, »verläßt du mich endlich?
    Ist es das, worum sich alles dreht, ist das der Grund, warum du dich nie damit aufgehalten hast, mir wenigstens mitzuteilen, daß du dich um einen Job auf dem flachen Land bewirbst?«
    Ich hatte mit den Schultern gezuckt, kühl und feindselig, weil ich wußte, daß ich mich schlecht benahm.
    »Ich habe mich nicht darum beworben. Die sind zu mir gekommen.
    Und vergiß nicht, Danny, wir leben nicht zusammen. Du wolltest deine Freiheit.«
    Er hatte eine Art Ächzen von sich gegeben und gesagt: »Hör mal, Sam, vielleicht ist die Zeit gekommen …«
    Aber ich hatte ihn unterbrochen. Ich wollte nicht, daß er sagte, wir sollten endlich zusammenleben, und ich wollte auch nicht, daß er sagte, wir sollten uns endlich trennen, obwohl ich wußte, daß wir uns bald würden entscheiden müssen. Ich hatte eine Hand auf seine widerstrebende Schulter gelegt. »Es ist nur anderthalb Stunden entfernt. Du kannst kommen und mich besuchen.«
    »Dich besuchen? «
    »Bei mir bleiben.«
    »Oh, ich werde kommen und bei dir bleiben, mein Liebling.«
    Und er hatte sich vorgebeugt, ganz dunkles Haar und Bartstoppeln und Geruch von Sägemehl und Schweiß, und hatte mich an dem Gürtel, der durch die Schlaufen meiner Jeans gezogen war, an sich gerissen. Er hatte meinen Gürtel geöffnet und mich auf das Linoleum der Küche hinuntergedrückt, auf die warme Stelle, unter der ein Heizungsrohr verlief, und seine Hände unter meinem Kopf mit den kurzen Haaren hatten verhindert, daß er auf den Boden aufschlug, als wir hinfielen.

    Wenn ich rannte, würde ich vielleicht noch rechtzeitig zu Elsie kommen. An der Ufermauer pfiff der Wind, und der Himmel wurde vom Wasser verschluckt. Ich atmete stoßweise. In meinem linken Schuh befanden sich ein paar Steinchen, die beim Gehen in den Ballen drückten, aber ich wollte nicht anhalten. Es war erst ihr zweiter Tag in der Schule. Die
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