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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus
Autoren: Nicci French
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Lehrerin wird denken, daß ich eine schlechte Mutter bin. Häuser! Endlich sehe ich Häuser. Häuser aus den dreißiger Jahren, rote Ziegel, quadratisch, Häuser, wie Kinder ihr Zuhause zeichnen. Perfekt gekräuselter Rauch, eins, zwei, drei Wölkchen aus der ordentlichen Reihe der Schornsteine. Und da war das Auto; vielleicht würde ich doch nicht zu spät kommen.
    Elsie wiegte sich von den Fersen auf die Fußspitzen, von den Zehen auf die Fersen. Ihr glattes, helles Haar schwang bei der Bewegung. Sie trug eine braune Regenjacke, ein rot und orange kariertes Kleid und rosa getupfte Strumpfhosen an den staksigen Beinen, die an den sich ständig drehenden Fußknöcheln Falten warfen. (»Du hast gesagt, ich dürfte mir meine Kleider aussuchen, und ich will diese anziehen«, hatte sie beim Frühstück aufsässig gesagt.) Ihre Nase war rot, und ihr Blick leer.
    »Komme ich zu spät?« Schuldbewußt umarmte ich ihre abweisende Gestalt.
    »Mungo war bei mir.«
    Ich sah mich auf dem verlassenen Spielplatz um.
    »Ich sehe niemanden.«
    »Jetzt nicht mehr.«

    An diesem Abend, nachdem Elsie eingeschlafen war, fühlte ich mich in meinem Haus am Meer einsam. Die Dunkelheit draußen war wirklich sehr dunkel, die Stille geradezu unheimlich. Ich saß am unangezündeten Kamin, Anatoly auf dem Schoß, und sein Schnurren, wenn ich ihn hinter den Ohren kraulte, schien das Zimmer zu erfüllen. Unschlüssig stöberte ich im Kühlschrank herum, aß ein Stück hart gewordenen Käse, einen halben Apfel, einen Riegel Milchschokolade mit Rosinen. Ich rief Danny an, es meldete sich aber nur seine unpersönliche Stimme auf dem Anrufbeantworter, und so hinterließ ich keine Nachricht.
    Ich schaltete den Fernseher ein, um die Abendnachrichten zu sehen. Ein reiches Ehepaar aus der hiesigen Gegend war brutal ermordet worden; man hatte ihnen die Kehlen durchgeschnitten.
    Auf ein Bild ihrer förmlich lächelnden Gesichter, seines gerötet und plump, ihres blaß, mager und zurückhaltend, folgte eine Ansicht ihres großen roten Hauses vom Ende einer breiten, kiesbestreuten Einfahrt aus. Ihre Tochter im Teenageralter
    »erhole sich« im Stamford General Hospital. Es gab ein verwackeltes Schulfoto, das Jahre alt sein mußte; ein glückliches, rundes, plumpes Gesicht. Das arme Ding. Ein großer Polizeibeamter sagte etwas von keine Mühe scheuen, ein lokaler Politiker äußerte Betroffenheit und Empörung und verlangte, daß Maßnahmen ergriffen würden.
    Ich dachte kurz an die Tochter und ihre zerstörte Zukunft.
    Dann befaßten sich die Nachrichten damit, daß irgendwo in der Welt der Friedensprozeß ins Stocken geraten war, und schon bald hatte ich das Mädchen vergessen.

    3. KAPITEL
    »Nach dir.«
    »Nein, nach dir.«
    »Herrgott, nun gieß schon ein, du Blödmann.«
    Sie standen zu viert um die Kaffeemaschine herum, Uniformierte und Anzugträger kämpften um den Zucker und das Milchkännchen. Sie hatten es eilig. Die Sitzplätze in dem normalerweise unbenutzten Konferenzraum waren begrenzt, und keiner wollte zu diesem Anlaß zu spät kommen.
    »Für eine Fallkonferenz ist es noch ein bißchen zu früh, was?«
    »Der Super will es aber.«
    »Ich würde sagen, es ist noch ein bißchen früh.«
    Der Konferenzraum befand sich im neuen Anbau der zentralen Polizeidienststelle von Stamford, ganz Resopal, Leuchtröhren, summende Heizanlage. Der Chef des CID, Superintendent Bill Day, hatte das Treffen für 11.45 Uhr an diesem Vormittag anberaumt, an dem die Leichen entdeckt worden waren. Die Jalousetten waren hochgezogen und gaben den Blick auf das Bürogebäude gegenüber frei, dessen verspiegelte Fenster einen hellen Winterhimmel zurückwarfen. Einen Overhead-Projektor und einen Videorecorder hatte man in die hintere Ecke des Raums geschoben. Plastikstühle wurden von Stapeln an der Wand genommen und um den langen Tisch herum verteilt.
    Detective Inspector Frank »Rupert« Baird bahnte sich einen Weg durch das Gedränge der Beamten – er überragte die meisten von ihnen – und nahm seinen Platz am Ende des Tisches ein. Er legte ein paar Aktenordner vor sich auf den Tisch und sah auf seine Uhr, sich nachdenklich über seinen Schnurrbart streichend. Bill Day und ein älterer Mann in Uniform betraten den Raum, in dem plötzlich aufmerksame Stille herrschte. Day setzte sich neben Rupert Baird, der Uniformierte aber blieb demonstrativ gleich neben der Tür stehen und lehnte sich leicht an die Wand. Bill Day sprach als erster.
    »Guten Morgen, meine Herren«,
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