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Ein Schritt ins Leere

Ein Schritt ins Leere

Titel: Ein Schritt ins Leere
Autoren: Agatha Christie
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ein behänder Träger die Tür zuknallte, und gewahrte den einzigen Insassen des Abteils.
    Es war ein Wagen erster Klasse und in der Fensterecke saß eine brünette junge Dame, die eine Zigarette rauchte. Sie trug einen roten Rock, eine kurze grüne Jacke und ein leuchtend blaues Käppchen, aber trotz einer gewissen Ähnlichkeit mit dem Äffchen eines Leierkastenmannes hatte sie unbestreitbar etwas sehr Fesselndes an sich. Mitten in seiner Entschuldigung brach Bobby ab.
    «Donnerwetter, du bist es. Frankie! Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!»
    «Deshalb nimm schleunigst Platz und erzähle.»
    Bobby grinste.
    «Meine Fahrkarte hat die verkehrte Farbe!»
    «Tut nichts. Ich werde den Unterschied im Fahrpreis für dich begleichen.»
    «Was für ein Einfall! Meine männliche Würde empört sich bei dem Gedanken, eine Dame für mich bezahlen zu lassen!»
    «Zu etwas anderem sind wir heutzutage anscheinend nicht da», belehrte Frankie ihn.
    «Nein, ich werde die Differenz aus eigener Tasche bestreiten», erklärte Bobby heroisch, als er eine blau uniformierte Gestalt im Korridor auftauchen sah.
    «Überlass die Angelegenheit lieber mir.»
    Und Frankie lächelte den Schaffner an, der grüßend den Finger an seine Kopfbedeckung legte, ehe er ihr weißes Kärtchen nahm und lochte.
    «Mr Jones ist gerade zu einem Schwätzchen zu mir herübergekommen», sagte sie. «Das schadet doch nichts, wie?»
    «Schon gut, Ihre Ladyschaft. Der Gentleman wird ja wohl nicht allzu lange hier bleiben.» Er hüstelte taktvoll. «Ich komme erst nach Bristol wieder in diesen Wagen», fügte er bedeutsam hinzu.
    «Was man mit einem Lächeln doch alles erreicht!», meinte Bobby, sobald der Beamte verschwunden war. Lady Frances Derwent schüttelte nachdenklich den Kopf.
    «Ich glaube nicht, dass es das Lächeln macht, sondern Vaters Gewohnheit, auf seinen Reisen jedem Schaffner fünf Shilling in die Hand zu drücken.»
    «Auch möglich. Ich dachte übrigens, du hättest Wales gründlich satt, Frankie.»
    Die junge Dame seufzte.
    «Mein Lieber, du weißt, wie Väter sind. Und dazu die Eintönigkeit des Landlebens, die kaum mal durch Gäste unterbrochen wird, da alle Welt behauptet, sparen zu müssen und sich die Reisekosten nicht leisten zu können. Ist es einem Mädchen da zu verdenken, wenn es Reißaus nimmt? Aber nach der letzten Nacht dachte ich, dass es sogar daheim auf dem Lande nicht schlimmer sein könne.»
    «So?»
    «Ja. Wir trafen uns zwischen halb neun und neun im Savoy, aßen dort und gingen danach kurz in den Marionette Club. Es hieß nämlich, er würde von der Polizei ausgehoben werden. Doch nichts dergleichen geschah. Es war sterbenslangweilig, Bobby. Deshalb bummelten wir weiter ins Arena, und dort war’s noch stumpfsinniger. Hierauf versuchten wir es in einem Café und hernach in einer Bude, wo man gebratenen Fisch verkaufte. Und dann hatten wir den Einfall, in aller Herrgottsfrühe Angelas Onkel zu überfallen, weil wir sehen wollten, ob er sehr entsetzt sein würde. Aber leider war er nicht entsetzt, nur mürrisch. Das verdarb uns natürlich den Spaß, und so trollten wir uns heim. Wirklich, Bobby die durchwachte Nacht hat sich nicht gelohnt.»
    «Das glaube ich», sagte Bobby Jones, einen Anflug von Neid unterdrückend. Denn nicht einmal in seinen kühnsten Momenten würde er von einem Besuch des Marionette Club geträumt haben.
    Seine Beziehung zu Frankie reichte bis in die früheste Jugend zurück.
    Als Kinder hatten seine Brüder und er mit den Kindern vom Schloss gespielt. Jetzt, da sie erwachsen waren, sahen sie sich nur noch selten. Wenn Frankie zufällig mal daheim war, pflegten Bobby und seine Brüder zum Tennis hinaufzugehen; dagegen wurden Frankie und ihre beiden Brüder niemals ins Pfarrhaus eingeladen. Man schien ohne weiteres anzunehmen, dass ihnen das kein Vergnügen bereiten würde.
    Im Bestreben, den Jones zu zeigen, dass man keine gesellschaftlichen Unterschiede machte, waren die Derwents vielleicht eine Nuance freundlicher, als unbedingt nötig gewesen wäre. Und die Jones wahrten eine gewisse Förmlichkeit, als seien sie entschlossen, nicht mehr Freundschaft zu verlangen, als ihnen geboten würde. Eigentlich verband die beiden Familien nichts anderes als ein paar verblassende Kindheitserinnerungen. Nur Bobby und Frankie freuten sich stets aufrichtig, wenn das Schicksal sie zusammenführte.
    «Ich habe alles so satt!», klagte Frankie. «Du auch?»
    Bobby überlegte.
    «Nein», gestand
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