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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Maryla Krüger
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verdarb; er ging einfach die Frühstücksliste von oben nach unten durch. Ich beließ es bei Toast und Orangenmarmelade, während Finn sich Eier und Speck bestellte und Ryan bereits an einem Porridge löffelte.
    „Wie lange brauchen wir noch? Was meinst du?“, fragte ich ihn.
    „Hast du es so eilig?“ 
    „Nein, ich bin nur neugierig.“
    Er lächelte. „Am Anfang ging es mir auch so“, sagte er. „Mir ging es nie schnell genug. Ich war so voller Tatendrang, dass ich nicht daran dachte, dass die Gespenster ja alle Zeit der Welt hatten.“
    „Wie lange machst du das schon?“, wollte ich wissen, und Ryan kniff beim Kauen die Augen zusammen. „Drei – nein, vier Jahre“, antwortete er einen Moment später.
    „Und was hast du vorher gemacht?“
    Er lachte leise. „Du bist wirklich neugierig.“
    „Ja, tut mir leid!“, meinte ich und griff nach meiner Tasse.
    „Muss es nicht. Ich war in Oxford.“ Er nahm wieder einen Löffel Porridge und kaute gemächlich vor sich hin.
    Ich schnaubte. „Sag mal, muss man dir wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen?“
    Er schluckte und grinste.
    „Ich war schon mal in Hamburg und in Berlin“, sagte Finn und setzte sich mit einem gut gehäuften Teller mir gegenüber. „Hab da mit einer Band auf zwei kleinen Festivals gespielt. Berlin hat mir besser gefallen, muss ich sagen. Ist eine schöne Stadt. Kommst du von dort?“
    Ich schaute zu Ryan und bemerkte: „Das waren sechs Informationen in fünf Sätzen, und das, ohne einmal Luft zu holen.“
    Mit Müh und Not schaffte er es, nicht seinen Porridge quer über den Tisch zu spucken. Er griff nach der Papierserviette und wischte sich den Mund ab. „Finn verfügt ja auch über die Mitteilsamkeit eines Radioweckers“, krächzte er und hustete in die Serviette.
    „Worum geht’s?“, fragte Lucas, der sich nun auch endlich mit seinen zwei Tellern zu uns gesellte.
    „Jo wollte uns gerade erzählen, wo sie herkommt“, sagte Ryan, versteckte das Grinsen hinter seiner Tasse, schob die leere Porridgeschüssel zur Seite und nahm sich einen Speckstreifen von Lucas’ Teller.
    „Ich komme aus einer Kleinstadt in der Nähe von Wuppertal“, erwiderte ich. „Das liegt ziemlich weit im Westen Deutschlands. Nichts Besonderes. Ich habe drei Semester Philosophie studiert und dann aufgegeben.“
    „Warum?“, fragte Finn.
    „Tja, wenn ich das wüsste, wäre ich vielleicht nicht hier.“
    „Und wie bist du auf die Idee gekommen, in die Geisterjagd einzusteigen?“
    „Das war gar nicht meine Idee. Meine Freundin hat mich einfach rekrutiert.“
    „Ins kalte Wasser geworfen zu werden ist manchmal nicht die schlechteste Art und Weise, einen neuen Weg einzuschlagen“, sagte Ryan und hob die Teetasse zum Mund.
    „Bei dir war es fast genauso, nicht wahr?“ Lucas wies mit seiner Gabel auf Ryan und nickte, in Gedanken bereits wieder bei seinem Frühstück.
    „Aye, ähnlich“, murmelte Ryan mit einem Seitenblick in meine Richtung. „Esst auf! Wir müssen weiter.“
    „Hey!“, sagte Finn leise auf dem Weg zum Wagen zu mir und legte mir den Arm um die Schultern. „Er ist in einigen Dingen ein bisschen eigen. Lass ihm Zeit, in Ordnung?“
    „Ich bin manchmal wirklich taktlos. Ich hoffe, er nimmt es mir nicht übel.“
    „Tut er nicht, Kleines.“ Finn lächelte und öffnete mir galant die Wagentür. „Ihre Kutsche, Madam!“
    „Vielen Dank, Sir!“
    Als wir losfuhren, nahm ich mein Buch, um ein wenig zu lesen und um meine Gedanken in andere Bahnen zu lenken.
    Doch der Blick aus dem Fenster fesselte mich zusehends. Die Landschaft hatte sich wieder verändert, war nun fast ausschließlich von gigantischen kargen Felswänden und moorigen Schluchten durchzogen, wirkte wie verlassen und strahlte dabei doch eine Schönheit aus, die einen beinahe melancholisch werden ließ. Es musste wohl ein traurig-schönes Liebeslied gewesen sein, das die Natur dazu gebracht hat, diesen Landstrich zu erschaffen. Sie war wie Ryan, überlegte ich, ein bisschen eigen. Plötzlich wurde mir klar, dass er hier zu Hause war.
    Etwa eine Stunde später zog an meinem Fenster ein großes Schild vorbei: Caitlin Castle & Gardens – drei Meilen.

Caitlin Castle
    Schottland – Wester Ross
    Die Straße führte in sanften Serpentinen einen Hang hinauf, und als wir den Gebirgskamm überquerten, lag vor uns eine märchenhafte Schlucht. Mächtige, verschleierte Bergspitzen ragten in den Himmel. Sonnenstrahlen drangen durch die Wolkendecke, trafen in geneigtem Winkel
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