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Ein schneller Sieg

Ein schneller Sieg

Titel: Ein schneller Sieg
Autoren: David Weber
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Fehlschläge und die lange, qualvolle Therapie, in der Honor erlernte, die Hightech-Prothesen zu meistern, hätten sie beinahe zermürbt. Selbst nun lag in den Meldungen der synthetischen Nerven eine fremdartige, scharfkantige Merkwürdigkeit. Sie fühlten sich einfach nicht richtig an, so als wären die Implantate eine fehlerhaft abgestimmte Sensorengruppe – und die unbeschädigten Nerven auf der anderen Gesichtshälfte machten durch ihr ständiges Beispiel, wie es sich eigentlich anzufühlen hatte, die ganze Sache nur noch schlimmer. Honor bezweifelte, daß sie sich je völlig daran gewöhnen würde.
    Erneut richtete sie den Blick auf das weit entfernte Haus und überlegte, wieviel ihrer Melancholie wohl von der monatelangen Anspannung und den Schmerzen herrührte. Sie waren einfach nicht zu vermeiden gewesen, und mehr als einmal hatte sie sich in den Schlaf geweint, während ihr das unnatürliche Feuer im Gesicht brannte. Die Behandlung hatte keine Narben hinterlassen, die von den massiven Eingriffen kündeten – jedenfalls keine sichtbaren. Nun war ihr Gesicht beinahe so berührungsempfindlich und seine Muskeln beinahe so reaktionsfähig wie zuvor. Aber nur fast. Sie konnte den Unterschied erkennen, wenn sie in den Spiegel sah, die leichte Verzögerung wahrnehmen, mit der die linke Mundhälfte sich bewegte, und nur zu bewußt war sie sich der durch diese Verzögerung gelegentlich undeutlich ausgesprochenen Worte. Selbst im Kuß des kalten Windes spürte sie die unausgeglichene Empfindsamkeit ihrer beiden Gesichtshälften.
    Und tief in ihrem Inneren, wohin niemand sehen konnte, gab es weitere Narben.
    Die Träume kamen nun nicht mehr so regelmäßig, aber sie blieben, wie sie immer gewesen waren: kalt und bitter. So viele Menschen waren unter ihrem Kommando gestorben. Wegen der Befehle, die sie gegeben hatte. Oder weil sie nicht da war, um sie am Leben zu halten. Mit diesen Träumen kamen die Selbstzweifel. Konnte sie sich überhaupt jemals wieder den Herausforderungen stellen, die das Kommando über ein Schiff mit sich brachte? Und selbst wenn, würde die Flotte ihr erneut das Leben anderer Menschen anvertrauen?
    Nimitz rührte sich und setzte sich wieder aufs Hinterteil. Er stützte die Echthände auf Honors Schultern und starrte ihr in die schokoladenbraunen Augen – das eine natürlich; das andere bestand aus fortschrittlichen Kompositwerkstoffen und molekularen Schaltkreisen, und sie spürte, wie die moralische Unterstützung und die Liebe des Katers in sie drangen.
    Sie hob ihn in ihre Arme und vergrub ihr vom Wind kaltes Gesicht in seinem weichen Fell, freute sich an der Körperwärme ebenso wie an der wertvolleren inneren, und er schnurrte sie an, bis sie ihn wieder absetzte und tief, tief Atem schöpfte.
    Sie sog frische Luft in die Lungen und füllte sie mit der Kälte des Herbstanfangs, bis ihr die Brust schmerzte, dann atmete sie in einem einzigen, langen Zug aus, der … etwas … mit sich nahm. Sie konnte dieses Etwas nicht benennen, dennoch spürte sie, wie es sie verließ, und an seiner Stelle erwachte anderes wie aus langem Schlaf.
    Sie war zu lange am Boden. Sie gehörte nicht mehr auf diesen Berg, den sie so liebte, von dem sie durch kristallklare, kalte Luft auf das Haus ihrer Geburt hinabschaute. Zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit empfand sie den Ruf der Sterne nicht als eine furchteinflößende Herausforderung, der sie sich nicht gewachsen fühlte, sondern als das altbekannte Bedürfnis, dort oben zu sein. Und sie bemerkte die Veränderung in Nimitz’ Emotionen, als er ihre Gefühle wahrnahm.
    »Also gut, Stinker – du kannst aufhören, dir Sorgen zu machen«, sagte sie zu ihm, und sein Schnurren wurde lauter und lebhafter. Sein biegsamer Schwanz zuckte, als er ihre Nase mit seiner berührte, und sie lachte auf und zog ihn noch einmal in eine enge Umarmung.
    Noch war es nicht vorbei. Das wußte sie. Doch wenigstens wußte sie nun, wohin sie gehen und was sie tun mußte, um die Alpträume endgültig zu besiegen.
    »Ja«, fuhr sie fort. »Ich glaube wirklich, es wird langsam Zeit, daß ich aufhöre, mich selbst zu bemitleiden, stimmt’s?« Nimitz schlug heftiger mit dem Schwanz, um seine Zustimmung zu bekunden. »Und es ist auch Zeit, daß ich mich wieder auf ein Kornmandodeck stelle«, fügte sie hinzu. »Vorausgesetzt selbstverständlich, daß die da oben mich überhaupt zurückhaben wollen.« Diesmal flammte bei der Einschränkung kein neuer Schmerz auf, und sie lächelte
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