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Ein schicksalhafter Sommer

Ein schicksalhafter Sommer

Titel: Ein schicksalhafter Sommer
Autoren: Daniela Frenken
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setzen. Das Fahrrad hatte einen Platten und ich musste das ganze Stück zu Fuß gehen.“ Seufzend ließ sie sich auf der verwitterten Bank nieder. „Es ist aber auch mal heiß heute. Ich bin völlig durchgeschwitzt.“ Sie strich ihren Rock glatt und ließ ihren Blick durch den Garten schweifen, über die Tischgruppe auf der Wiese mit den Sommerblumen, den Gemüsegarten, über die Wäscheleine bis zu der Streuobstwiese, wo die Kirschen schon überreif waren. Nachdem ihr Blick kurz an der leeren Gartenbank im Schatten eines Kirschbaumes hängen geblieben war, sah sie fragend die beiden anderen Frauen an. „Wo ist denn der Papa?“
    „Auf dem Feld.“ Seufzend nahm sich Luise das letzte nasse Wäschestück.
    „Alleine? Bei der Hitze?“
    „Er hat vorhin erst angefangen. Ich hab ihm zwar gesagt, er soll doch heute noch mal ganz freimachen, aber er wollte nichts davon hören. Dein Vater meinte, einmal müsse er ja fertig werden.“ Luise steckte die letzte Wäscheklammer mit unnötiger Kraft fest.
    „Aber er hat gestern doch schon den ganzen Tag mitgearbeitet, und was war er am Nachmittag erschöpft. Nachher bekommt er wieder einen Zusammenbruch.“
    „Ach, Sofia, es ist ein Elend. Euer Vater macht ja, was er will. Er lässt sich ja nichts sagen. Das Traurige ist, er kann machen was er will, es wird ihm nichts nützen. Wie man es dreht und wendet, lange können wir so nicht mehr weiter machen.“ Resigniert schüttelte sie den Kopf. Luise war schon wieder den Tränen nahe. Die Sorgen um ihren Mann und die Zukunft der Familie hatten ihr stärker zugesetzt, als sie zugeben wollte. Der Hof war schon seit Generationen im Besitz der Familie, und so klein er auch war, er war Hermanns Lebensinhalt. Sollte er ihn verlieren, würde ihn das umbringen. Wenn das nicht vorher schon das schwache Herz tat.
    Und würden sie den Hof verlieren, wüssten sie nicht, wovon sie leben sollten.
     
    Ähnliche Gedanken beschäftigten auch den einsamen Mann auf den Feldern. Hermann Nessel hielt in der Arbeit inne und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht. Er war froh, dass die anderen nicht hier waren und sehen konnten, wie ihn die Arbeit anstrengte. Die Frauen mussten sich heute um die Arbeit auf dem Hof kümmern. Weil die beiden wochenlang die gesamte Zeit auf den Feldern verbracht hatten, um wenigstens einen Teil der Arbeit geschafft zu bekommen, war alles andere liegen geblieben. Seit er, Hermann, für Wochen komplett ausgefallen war, weil er im Bett hatte liegen müssen, kamen sie mit der Arbeit einfach nicht mehr nach. Auch heute würde es für ihn kein warmes Mittagessen geben, weil er sich unbedingt mit diesem Feld beeilen musste. Hermann schnaufte erschöpft, zog sein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich nochmals den Schweiß vom Gesicht. Wie sollte es nur weitergehen?
    „Guten Tag, Herr Nessel.“
    Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Hermann sah auf und erblickte Karl, den Sohn der Kofers. Deren Hof war fünfmal so groß wie seiner und ihr Land grenzte an das seine. Der alte Kofer hatte schon verlauten lassen, dass er den Nessel-Hof gern übernehmen würde, falls er, Hermann, jetzt bald nicht mehr könnte. Bei dem Gedanken wurde ihm flau. Der Hof war sein Leben, und lieber würde er bei der Arbeit sterben, als sein Land zu verkaufen.
    Sein Großvater hatte den Vierkanthof Mitte des letzten Jahrhunderts gebaut. Damals hatten sie noch mehr Vieh und mehr Land, doch Hermanns Vater war gezwungen gewesen, einen Teil des Landes zu verkaufen. Hermann hatte zwar begonnen, den Hof durch Ankauf von Bruchland wieder zu vergrößern, doch das erwies sich als problematischer, als er gedacht hatte. Sie konnten sich schon seit einiger Zeit keine Mägde und Knechte mehr leisten, und so musste das neuerworbene Land brach liegen. Der Hof hielt sich mit Ach und Krach. Demzufolge konnten sie auch kein Geld mehr zurücklegen, was dringend notwendig gewesen wäre für Neuanschaffungen oder um die Erntehelfer zu bezahlen. Und jetzt war er auch noch krank geworden. Es war zum Verzweifeln.
    Gedankenverloren starrte Hermann ins Leere. Ein Räuspern holte ihn aus seinen Gedanken und er wurde sich wieder der Anwesenheit Karls bewusst, welcher ihn befremdet ansah. „Ach, ja. Guten Tag, Karl“, beeilte er sich nun zu erwidern.
    „Wie geht es Ihnen heute? Wie ich sehe, sind Sie ja wieder auf den Beinen“, bemerkte Karl freundlich.
    „Ja, das bin ich wohl.“ Hermann musterte die geschniegelte Gestalt. Der Karl besaß mehr
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