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 Ein reines Gewissen

Ein reines Gewissen

Titel: Ein reines Gewissen
Autoren: Ian Rankin
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kleines bisschen Kuba in Oxgangs. Ein kleines bisschen Abwechslung.
    Ein anderer Zeitungsartikel handelte von einer litauischen Frau. Nachdem sie in Brechin ermordet worden war, war ihre Leiche zerstückelt ins Meer geworfen und dann, Stück für Stück, am Strand von Arbroath wieder angespült worden. Ein paar Kinder hatten den Kopf entdeckt, und jetzt standen zwei ausländische Arbeitnehmer wegen Mordes vor Gericht. Das war ein Fall ganz nach dem Geschmack vieler Polizisten. Fox hatte in seinem früheren Leben beim CID nicht mehr als eine Handvoll Morde bearbeitet, erinnerte sich aber an jeden Tatort und jede Autopsie. Er war dabei gewesen, wenn man Familienangehörigen die Nachricht überbracht hatte oder sie ins Leichenschauhaus begleitet werden mussten, um jemanden zu identifizieren. Die Innere war eine Welt fernab von all dem, weshalb andere Polizisten meinten, Fox und seine Kollegen hätten es leicht.
    »Wieso fühlt es sich dann nicht auch leicht an?«, fragte er laut, gerade als der Toast fertig war. Er nahm alles einschließlich der Zeitung mit hinüber auf das Wohnzimmersofa. Viel würde es zu dieser Tageszeit im Fernsehen nicht geben, aber BBC-Nachrichten kamen immer. Sein Blick wanderte zum Kaminsims. Dort standen gerahmte Fotos. Auf dem einen waren seine Mutter und sein Vater zu sehen, vermutlich im Urlaub, Mitte der Sechzigerjahre. Das andere zeigte Fox selbst, noch nicht ganz Teenager, den Arm um seine jüngere Schwester gelegt, die neben ihm auf dem Sofa saß. Ihm war, als hätten sie sich im Haus einer Tante befunden, aber er wusste nicht, bei welcher. Fox lächelte in die Kamera, Jude dagegen interessierte sich nur für ihren Bruder. Ein Bild blitzte in seinem Kopf auf - Jude, wie sie die Treppe in ihrem Haus hinunter stolperte. Was hatte sie getragen? Leere Tassen vielleicht, oder einen Korb Wäsche. Doch dann war sie am Fuß der Treppe angelangt, unversehrt, und Vince stand mit geballter Faust vor ihr. Es war schon einmal passiert, und Jude hatte damals behauptet, sie habe als Erste zugeschlagen, oder ihm jedenfalls ordentlich Paroli geboten. Es wird nicht wieder vorkommen ...
    Fox war der Appetit vergangen, und der Tee schmeckte, als hätte er zu viel Milch hineingegossen. Sein Handy gab einen Summton von sich: eine SMS. Sie kam von Tony Kaye. Er war mit Joe Naysmith im Pub.
    »Weiche von mir, Satan«, sagte Fox zu sich selbst.
    Fünf Minuten später suchte er den Autoschlüssel.
     
     
     
    Montag, 9. Februar 2009
     
    2
     
    Montagmorgen. Die Parkplatzsuche am Polizeipräsidium kostete Malcolm Fox fast so viel Zeit wie die gesamte Fahrt dorthin. Tony Kaye und Joe Naysmith waren schon im Büro. Naysmith, der Jüngste im Team, hatte eine Kanne Kaffee gekocht und Milch besorgt. Jeweils freitags bat er die anderen zur Kasse. Manchmal zahlten sie, manchmal aber auch nicht, dann tat Naysmith immer so, als führte er Buch über das, was sie ihm schuldeten.
    »Ein Pfund steht noch aus«, sagte er jetzt und pflanzte sich, die Hände in den Hosentaschen, vor Fox' Schreibtisch auf.
    »Sagen wir, am Wochenende das Doppelte oder nichts«, antwortete Fox, während er seinen Mantel aufhängte. Es war ein wunderschöner heller Tag, die Straßen waren frei von Eis. In den Gärten seiner Siedlung hatte er im Vorbeifahren weiße Kleckse erblickt, wo einmal Schneemänner gestanden hatten. Er zog sein Jackett aus, worauf die dunkelblauen Hosenträger zum Vorschein kamen. Seine Krawatte war heute von einem leuchtenderen Rot als am Freitag, sein Hemd weiß mit gelben, haarfeinen Streifen. Obwohl seine Aktentasche fast leer war, machte er sie auf. Naysmith hatte sich zu seiner Kaffeekanne zurückgezogen.
    »Drei Löffel Zucker«, erinnerte Kaye ihn, was ihm die erwartete Geste einbrachte.
    »Nichts von Bob gehört?«, fragte Fox.
    Naysmith schüttelte seinen Wuschelkopf - für einen Haarschnitt hatte er am Wochenende keine Zeit gehabt - und deutete auf Fox' Schreibtisch. »Da müsste aber eine Nachricht liegen.«
    Fox schaute nach, sah aber nichts. Er rutschte mit seinem Stuhl zurück und spähte unter den Schreibtisch. Auf dem Boden lag, bereits mit dem Abdruck seiner Sohle versehen, ein Zettel. Er hob ihn auf, drehte ihn um und entzifferte McEwans Handschrift. Inglis-CEOP- 10.30
    CEOP stand für Kinderschutz - Child Exploitation and Online Protection lautete die offizielle Bezeichnung. Die meisten Polizisten sprachen die Abkürzung »Chop« aus. Der Chop Shop, in dem keine Autos, sondern ganz andere Dinge
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