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 Ein reines Gewissen

Ein reines Gewissen

Titel: Ein reines Gewissen
Autoren: Ian Rankin
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einer Handbewegung bat sie Fox, sich an dem leeren Schreibtisch neben ihrem niederzulassen.
    »Dreh dich doch mal, Anthea-Püppchen«, sagte Gilchrist. Die Art, wie er es sagte, ließ Fox ahnen, dass der Witz nicht zum ersten Mal gemacht wurde.
    »Bruce Forsyth?«, mutmaßte er. »The Generation Game?« Inglis nickte. »Angeblich wurde ich nach der hinreißenden Assistentin mit dem Schmollmund benannt.« »Aber Annie ist Ihnen lieber?«
    »Annie ist mir entschieden lieber, außer Sie möchten auf einer eher förmlichen Ebene bleiben, dann bitte DS Inglis.«
    »Annie ist in Ordnung.« Im Sitzen zupfte Fox einen losen Faden von einem Hosenbein. Er versuchte, die Akte auf dem Schreibtisch vor ihm nicht zu beachten, die die Aufschrift »Schuluniform« trug. Er räusperte sich. »Mein Chef hat mir gesagt, Sie wollten mich sprechen.«
    Inglis nickte. Sie hatte sich an ihren Computer gesetzt. Ein weiterer Laptop stand etwas wackelig auf dem Festplattenlaufwerk. »Wie viel wissen Sie über die CEOP?«, fragte sie.
    »Ich weiß, dass Sie Ihre Zeit damit verbringen, Perversen nachzustellen.«
    »Exakt auf den Punkt gebracht«, sagte Gilchrist, der weiter auf seiner Tastatur herumhämmerte.
    »Früher war das noch deutlich einfacher«, fügte Inglis hinzu. »Inzwischen läuft alles digital. Kein Mensch bringt seine Fotos mehr zum Entwickeln. Niemand muss Zeitschriften kaufen oder sich gar die Mühe machen, irgendetwas auszudrucken, es sei denn ganz privat zu Hause. Man kann sich ein Kind von der anderen Seite des Globus ausgucken und sich erst dann mit ihm treffen, wenn feststeht, dass es bereit ist.«
    »Ganz und gar bereit«, wiederholte Gilchrist.
    Fox fuhr sich mit dem Finger am Kragen entlang. Es war höllisch warm hier drinnen. Er konnte sein Jackett nicht ablegen; sie befanden sich in einer geschäftlichen Besprechung, der erste Eindruck und so weiter. Allerdings fiel ihm auf, dass über der Rückenlehne von Annie Inglis' Stuhl ein schickes roséfarbenes Jackett hing. Inglis trug einen glänzend braunen Pagenkopf, und Fox fragte sich, ob er wohl gefärbt war. Dazu ein dezentes Make-up. Keinen Nagellack. Außerdem bemerkte er, dass ihr Büro im Unterschied zu den anderen auf diesem Stockwerk blickdichte Fenster besaß.
    »Es wird heiß hier drinnen«, erklärte sie ihm gerade. »Das kommt von den vielen Festplatten. Legen Sie ruhig Ihr Jackett ab, wenn Sie möchten.«
    Er lächelte dünn: Während er sich bemüht hatte, ihre Gedanken zu lesen, hatte sie umgekehrt dasselbe versucht. Er entledigte sich des Jacketts, das er sich über die Knie legte. Als Inglis und Gilchrist einen Blick wechselten, war ihm klar, dass es mit seinen Hosenträgern zu tun hatte.
    »Ein anderes Problem ist«, fuhr sie fort, »dass unsere >Klientel< immer gerissener wird. Die kennen sich mit der Hard- und Software besser aus als wir. Wir versuchen dauernd, mit ihnen Schritt zu halten. Ein Beispiel ...«
    Sie hatte mit dem Handgelenk die Maus auf ihrem Schreibtisch angestoßen. Der Computerbildschirm, der vorher schwarz gewesen war, zeigte jetzt ein verfremdetes Bild.
    »Das nennen wir einen >Verwirbelungs-Strudel<«, erklärte sie. »Täter schicken sich gegenseitig Bilder, die sie zuvor verwirbelt haben. Wir müssen dann Software entwickeln, mit deren Hilfe wir sie >entstrudeln< können.« Mit einem Mausklick begann das Foto sich zu dem Bild eines Mannes zusammenzusetzen, der den Arm um einen asiatischen Jungen gelegt hatte. »Sehen Sie?«, fragte Inglis.
    »Ja«, antwortete Fox.
    »Es gibt noch jede Menge andere Tricks. Sie sind jetzt so weit, dass sie Bilder hinter anderen Bildern verstecken können. Wenn man davon nichts weiß, macht man sich vielleicht nicht die Mühe, sie hervorzuholen. Wir haben schon Festplatten gesehen, die in anderen Festplatten steckten ...«
    »Wir haben schon alles gesehen«, betonte Gilchrist. Inglis sah zu ihrem Kollegen hinüber.
    »Schön wär's«, erinnerte sie ihn. »Jede Woche gibt es irgendwas Neues, Ekelhafteres. Und alles ist rund um die Uhr verfügbar. Sie sitzen zu Hause an Ihrem Computer, surfen, bestellen vielleicht was oder lesen den neuesten Tratsch, und dabei trennen Sie vier Mausklicks von der Hölle.«
    »Oder vom Himmel«, unterbrach Gilchrist, den Blick auf seinen eigenen Bildschirm geheftet. »Alles eine Frage des Geschmacks. Wir haben Sachen, da würden Ihnen die Schamhaare zu Berge stehen.«
    Fox wusste, dass die Leute vom Chop Shop sich als einen besonderen Menschenschlag betrachteten, anders
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