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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall
Autoren: Joanne K. Rowling
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den Ort. Wenn die Familie einmal Gäste hatte, was selten vorkam, fand Andrew es zum Kotzen, wie sein Vater damit prahlte, als hätte er das Ganze entworfen und erbaut. Vor kurzem hatte Andrew beschlossen, den Anblick von Asphalt, zerbrochenen Fenstern und Graffiti vorzuziehen. Er träumte von London und einem tollen Leben dort.
    Die Brüder marschierten bis zum Ende des Weges und blieben an der Ecke zur breiteren Straße stehen. Andrew griff in die Hecke, fummelte ein bisschen herum und zog schließlich ein halbvolles Päckchen Benson & Hedges und eine leicht feuchte Schachtel Streichhölzer heraus. Nach mehreren Fehlversuchen, bei denen die Zündköpfe an der Reibfläche abbröckelten, gelang es ihm, die Zigarette anzuzünden. Zwei oder drei tiefe Züge, dann durchdrang das grummelnde Dröhnen des Schulbusses die Stille. Vorsichtig drückte Andrew das glühende Ende der Zigarette mit den Fingern aus und verstaute den Rest wieder in der Packung.
    Der Bus war immer schon zu zwei Dritteln voll, wenn er die Abzweigung nach Hilltop House erreichte, da er bereits die weiter entfernten Farmen und Häuser abgeklappert hatte. Die Brüder suchten sich wie üblich getrennte Plätze, jeder einen Doppelsitz, und schauten aus dem Fenster, während der Bus rumpelnd hinunter nach Pagford fuhr.
    Am Fuß des Hügels stand ein Haus in einem keilförmigen Garten. Die vier Kinder der Fairbrothers warteten für gewöhnlich vor dem Eingangstor, aber heute war niemand zu sehen. Alle Vorhänge waren zugezogen. Andrew fragte sich, ob es üblich war, im Dunkeln zu sitzen, wenn jemand starb.
    Vor ein paar Wochen hatte Andrew bei der Disco in der Schulaula Niamh Fairbrother angebaggert, eine von Barrys Zwillingstöchtern. Danach hatte sie die widerliche Angewohnheit entwickelt, ihm nachzuspionieren. Andrews Eltern waren kaum mit den Fairbrothers bekannt. Simon und Ruth hatten so gut wie keine Freunde, schienen aber zumindest für Barry etwas übrigzuhaben, der die Kleinstfiliale der einzigen noch in Pagford verbliebenen Bank geleitet hatte. In der kleinen Stadt war der Name Barry Fairbrother jedoch immer präsent, er tauchte in allen möglichen Verbindungen auf, ob als Gemeinderat, bei Theateraufführungen in der Stadthalle oder dem von der Kirche veranstalteten Volkslauf. Das waren Dinge, an denen Andrew kein Interesse hatte und von denen sich seine Eltern fernhielten.
    Als der Bus links abbog und die Church Row hinunterzockelte, vorbei an den geräumigen, terrassenförmig angelegten viktorianischen Häusern, gab sich Andrew einem kurzen Tagtraum hin, in dem sein Vater tot umfiel, niedergeknallt von einem unsichtbaren Heckenschützen. Andrew sah sich, wie er seiner schluchzenden Mutter den Rücken tätschelte und gleichzeitig den Beerdigungsunternehmer anrief. Er hatte eine Zigarette im Mundwinkel und bestellte den billigsten Sarg.
    Die drei Jawandas, Jaswant, Sukhvinder und Rajpal, stiegen am unteren Ende der Church Row ein. Andrew hatte darauf geachtet, einen Sitz mit einem freien Platz vor sich einzunehmen, und wollte Sukhvinder mit Willenskraft dazu bringen, sich vor ihn zu setzen, nicht um ihretwillen (Andrews bester Freund Fats bezeichnete sie als »Titt’n Tusse«), sondern weil SIE sich oft neben Sukhvinder setzte. Und ob nun sein telepathischer Ansporn an diesem Morgen besonders wirksam war oder nicht, Sukhvinder entschied sich tatsächlich für den Sitz vor ihm. Triumphierend starrte Andrew, ohne etwas wahrzunehmen, auf die verschmierten Fenster und umklammerte seine Schultasche fester, um die Erektion zu verbergen, die durch die heftige Vibration des Busses entstanden war.
    Mit jedem neuen Ruckeln und Holpern stieg die Erwartung, während sich das schwerfällige Fahrzeug durch die schmalen Straßen schob, um die enge Kurve zum Marktplatz und auf die Ecke IHRER Straße zu.
    Noch nie hatte sich Andrew so sehr für ein Mädchen interessiert. Sie war erst seit kurzem hier. Eine seltsame Zeit, die Schule zu wechseln, im Frühjahrstrimester des Abschlussjahres zur Sekundarstufe. Ihr Name war Gaia, und das passte, weil er diesen Namen nie zuvor gehört hatte und sie etwas vollkommen Neues war. Sie war eines Morgens in den Bus gestiegen wie der Beweis, zu welch unglaublichen Höhen sich die Natur aufschwingen konnte, und hatte zwei Reihen vor ihm Platz genommen, während er wie gebannt auf die Perfektion ihrer Schultern und
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