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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall
Autoren: Joanne K. Rowling
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ihres Hinterkopfes starrte.
    Ihr Haar war kupferbraun und fiel in langen Wellen bis knapp unter ihre Schulterblätter. Ihre Nase war vollkommen gerade, schmal und so kurz, dass sie die herausfordernd üppigen, bleichen Lippen betonte. Ihre weit auseinander stehenden Augen hatten dichte Wimpern und waren von einem grüngefleckten Haselnussbraun, wie ein spät gepflückter Apfel. Andrew hatte sie noch nie geschminkt gesehen, und keine einzige Unreinheit verunstaltete ihre Haut. Ihr Gesicht war ein Gesamtkunstwerk absoluter Symmetrie und ungewöhnlicher Proportionen, und er hätte es stundenlang anschauen können, auf der Suche nach dem Ursprung dieser Faszination.
    Erst letzte Woche war er heimgekehrt nach einer Doppelstunde Biologie, in der er sie dank einer gottgewollten Anordnung der Tische fast die ganze Zeit über hatte betrachten können. In der Sicherheit seines Zimmers hatte er hinterher notiert (nachdem er zunächst heftig masturbiert und anschließend eine halbe Stunde lang die Wand angestarrt hatte) »Schönheit ist Geometrie«. Sofort hatte er das Papier wieder zerrissen, und jedes Mal, wenn er daran dachte, kam er sich blöde vor, aber trotzdem, da war etwas dran. Ihre hinreißende Schönheit war das Ergebnis geringfügiger Veränderungen eines Musters, was zu atemberaubender Harmonie führte.
    Gleich würde sie da sein, und wenn sie sich, wie so oft, neben die mürrische Sukhvinder setzte, wäre sie nahe genug, um das Nikotin an ihm riechen zu können. Er würde sehen, wie der Bussitz unter ihrem Körper ein wenig nachgab, wenn sie sich darauffallen ließ, und wie sich diese kupferfarbene Haarpracht über die Haltestange am Sitz ergoss.
    Der Busfahrer bremste, Andrew wandte das Gesicht von der Tür ab und gab sich den Anschein, tief in Gedanken versunken zu sein. Er würde sich umschauen, wenn sie eingestiegen war, als hätte er gerade erst bemerkt, dass der Bus angehalten hatte. Er würde Blickkontakt aufnehmen, ihr womöglich zunicken. Er wartete darauf, das Öffnen der Türen zu hören, aber das leise Pochen des Motors wurde nicht von dem vertrauten Zischen und Rumpeln unterbrochen.
    Andrew schaute sich um und sah nichts als die schäbige kurze Hope Street, zu beiden Seiten von kleinen Reihenhäusern gesäumt. Der Busfahrer beugte sich vor, um sich zu vergewissern, dass Gaia nicht kam. Andrew wollte ihn bitten zu warten, weil sie erst in der Woche zuvor aus einem der kleinen Häuser gestürmt und auf den Bus zugerannt war (da war es vertretbar gewesen, hinzuschauen, denn das hatten alle getan), und der Anblick der rennenden Gaia hatte seine Gedanken stundenlang in Beschlag genommen. Aber der Fahrer drehte das große Steuer herum, und der Bus fuhr weiter. Andrew wandte sein Gesicht wieder dem schmutzigen Fenster zu, mit Schmerzen im Herzen und Feuer in den Lenden.
    V
    In den kleinen Reihenhäusern der Hope Street hatten früher Arbeiter gewohnt. Im Badezimmer von Nummer zehn rasierte sich Gavin Hughes langsam und mit unnötiger Vorsicht. Er war so blond und sein Bart wuchs so spärlich, dass eine Rasur nur zweimal wöchentlich nötig war. Das klamme, leicht schmuddelige Badezimmer war der einzige Rückzugsort, und wenn er hier bis um acht herumtrödelte, hätte er einen plausiblen Grund dafür, sofort zur Arbeit aufbrechen zu müssen. Ihm graute davor, mit Kay zu reden.
    Am Abend zuvor war er einer Diskussion nur dadurch aus dem Weg gegangen, dass er so ausgiebig und einfallsreich mit ihr geschlafen hatte, wie seit den Anfängen ihrer Beziehung nicht mehr. Kay war voll nervtötender Begeisterung darauf eingegangen, hatte von einer Stellung in die nächste gewechselt, ihre stämmigen Beine für ihn angehoben, sich verbogen wie eine slawische Akrobatin, der sie mit ihrer olivfarbenen Haut und dem kurzen schwarzen Haar ein wenig ähnelte. Zu spät hatte er erkannt, dass sie diesen ungewöhnlichen Akt der Zuwendung als ein stillschweigendes Geständnis all der Liebesschwüre angesehen hatte, die er keinesfalls vorzubringen gedachte. Sie hatte ihn gierig geküsst. Zu Beginn ihrer Affäre hatte er ihre feuchten, zudringlichen Küsse erotisch gefunden, doch jetzt stießen sie ihn eher ab. Er hatte lange gebraucht, um zum Höhepunkt zu kommen, da sein Grausen über das, was er da in Gang gesetzt hatte, ständig drohte, seine Erektion zusammenfallen zu lassen. Selbst das
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