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Ein Moment fürs Leben. Roman

Ein Moment fürs Leben. Roman

Titel: Ein Moment fürs Leben. Roman
Autoren: Cecelia Ahern
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zu erinnern versuchte, wann ich einmal miterlebt hatte, dass Vater Philip beschimpfte, es wollte mir nichts einfallen.
    »Solange du tust, was er will, ist alles gut, aber wenn du das kleinste bisschen davon abweichst …« Er seufzte, und es klang zutiefst resigniert. »Er möchte das Beste für uns, er hat nur keine Ahnung, dass das, was in seinen Augen das Beste für uns ist, nicht unbedingt wirklich das Beste für uns ist.«
    »Dann ist also immer noch Riley der Goldjunge«, sagte ich etwas genervt. »Das werden wir ihm heimzahlen müssen.«
    »Schon erledigt. Ich hab Vater gesagt, dass er schwul ist.«
    »Was habt ihr denn immer, du und Mum? Riley ist überhaupt nicht schwul!«
    »Das weiß ich doch«, lachte er. »Aber es wird bestimmt lustig zuzuschauen, wie Riley sich aus der Affäre zieht.«
    »Ich hab schon eine Wette mit ihm laufen, dass er es nicht schafft, die Wortkombination ›übersinnlicher Elefant‹ in seiner Rede unterzubringen. Da hat er heute wohl einen schweren Tag.«
    Wir lachten.
    »Er kriegt das hin, wie immer«, meinte Philip gutmütig, drängte sich aus der Hecke und zurück auf den Weg. »Musst du nicht langsam zu Mum?« Er warf einen Blick auf seine Uhr.
    Ich schaute wieder zu Vater. »Doch, gleich.«
    »Viel Glück«, sagte er zweifelnd, weil er mein Vorhaben ahnte.
    Ich näherte mich meinem Vater absichtlich geräuschvoll, damit er keinen Schreck bekam.
    »Ich hab dich schon im Gebüsch gesehen«, sagte er, ohne sich zu mir umzudrehen.
    »Oh.«
    »Obwohl ich lieber nicht fragen will, was du da getrieben hast. Jedenfalls wirst du im Gebüsch weiß Gott keinen Beruf finden.«
    »Ja, was das angeht …«, begann ich und spürte die Wut in meinem ganzen Körper. Aber ich versuchte sie in Schach zu halten und kam gleich zur Sache. »Es tut mir leid, dass ich dich wegen meiner Kündigung angelogen habe.«
    »Du meinst, wegen der Sache mit deinem Rausschmiss?« Durch seine Brille, die auf der Nasenspitze saß, blickte er verächtlich auf mich herunter.
    »Ja.« Ich biss die Zähne zusammen. »Ich habe mich geschämt.«
    »Das ist durchaus angemessen. Dein Verhalten war verabscheuungswürdig. Du hättest im Gefängnis landen können. Und es wäre dir recht geschehen, weißt du.« Nach jedem Satz machte er eine Pause, als ginge es um einen ganz neuen Gedanken, der mit dem vorhergehenden nichts zu tun hatte. »Und ich hätte dir nicht helfen können.«
    Ich nickte, zählte bis fünf und schluckte meinen Ärger hinunter.
    »Aber eigentlich geht es gar nicht darum, dass ich betrunken Auto gefahren bin, oder?«, sagte ich schließlich. »Sondern um mich. Du hast ein Problem mit mir.«
    »Ein Problem? Was denn für ein Problem?«, nuschelte er, irritiert, weil ich eine scheinbare Schwäche in ihm angesprochen hatte. »Ich habe kein
Problem
, Lucy. Ich möchte nur, dass du dich der Herausforderung stellst, dass du endlich Verantwortung übernimmst und etwas aus dir machst. Statt diese … diese Trägheit zu pflegen … dieses Nichts, das du so gern sein möchtest.«
    »Ich möchte nicht nichts sein.«
    »Tja, aber du schaffst es trotzdem ganz gut.«
    »Vater, ist dir eigentlich klar, dass du niemals glücklich sein wirst, ganz egal, was ich mache? Weil du nämlich willst, dass ich so werde, wie du mich haben möchtest, und nicht so, wie es für mich richtig ist.« Ich schluckte.
    »Was in aller Welt redest du denn da? Ich möchte, dass ein anständiger Mensch aus dir wird«, fauchte er.
    »Ich bin ein anständiger Mensch«, erwiderte ich ruhig.
    »Ich möchte, dass du ein Mensch bist, der der Gesellschaft etwas zu bieten hat«, fuhr er fort, als hätte er mich nicht gehört, und stürzte sich in eine endlose Tirade über Verantwortung und Pflicht, in der jeder Satz mit »Ein Mensch, der …« anfing.
    Wieder zählte ich leise in meinem Kopf, diesmal bis zehn, und es funktionierte. Meine Wut und mein Schmerz ließen langsam nach, und an diesem besonderen Tag, nach dem Gespräch mit Philip, war ich nicht ganz so verbittert über seine mangelnde Anerkennung wie sonst so oft. Obwohl ich daran glaubte, dass jeder Mensch sich weiterentwickeln musste, wusste ich, dass ich seine Meinung von mir niemals würde ändern können, und da ich nicht versuchen wollte, ihm zu gefallen, hatten wir eine endlose Reihe von Konfrontationen vor uns. Aber ich hatte auch nicht mehr vor, ihm zu missfallen, zumindest nicht absichtlich – auch wenn man natürlich niemals genau vorhersagen kann, wie das Unterbewusste
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