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Ein Moment fürs Leben. Roman

Ein Moment fürs Leben. Roman

Titel: Ein Moment fürs Leben. Roman
Autoren: Cecelia Ahern
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einem Vollzeitjob nachging, hatte das arme Tier ja keine Gelegenheit, seine Notdurft draußen zu verrichten. In dem Versuch, mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, hatte ich überall in der Wohnung gerahmte Fotos von der Welt draußen aufgehängt: Wiesen, Meer, ein Briefkasten, Kieselsteine, Autos, ein Park, eine Auswahl anderer Katzen und ein paarmal Gene Kelly. Letzterer natürlich eher meinetwegen, aber ich hoffte, die anderen Bilder würden dazu führen, dass der Kater irgendwann gar nicht mehr den Wunsch verspürte, nach draußen zu gehen. Oder frische Luft zu atmen, Freunde zu finden, sich zu verlieben. Oder zu singen und zu tanzen.
    Da ich fünf Tage die Woche morgens um acht die Wohnung verließ und oft erst abends um acht oder gar nicht zurückkam, hatte ich den Kater darauf dressiert, sich auf Papier zu »erleichtern«, wie die Katzentrainerin immer gesagt hatte, damit er sich allmählich daran gewöhnte, sein Katzenklo zu benutzen. Und dieser Brief, das einzige Papier, das noch auf dem Boden lag, hatte ihn sicher verwirrt. Ich beobachtete ihn, wie er sich verlegen in der Zimmerecke herumdrückte. Er wusste, dass er etwas Falsches getan hatte. In seinem Gedächtnis lauerte die Erinnerung an das, was er nicht hätte tun dürfen.
    Ich hasse Katzen, aber diesen Kater mochte ich. Ich hatte ihn MrPan getauft, nach Peter Pan, dem allseits bekannten fliegenden Jungen. MrPan ist zwar weder ein Junge, der nicht älter wird, noch kann er fliegen, aber es besteht trotzdem eine seltsame Ähnlichkeit, und mir erschien der Name damals passend. Ich hatte MrPan eines Abends in einem Müllcontainer auf einem Hinterhof gefunden, laut schnurrend, als wäre er völlig verzweifelt. Oder war ich verzweifelt? Was ich auf dem Hinterhof zu suchen hatte, ist meine Privatangelegenheit und soll es auch bleiben. Jedenfalls regnete es in Strömen, und ich trug einen beigefarbenen Trenchcoat. Ich hatte gerade bei einer Überdosis Tequila einem perfekten Freund nachgetrauert und gab nun mein Bestes, wie eine aus
Frühstück bei Tiffany
wiedergeborene Audrey Hepburn diesem Tier nachzujagen und mit klarer, einzigartiger und völlig verzweifelter Stimme »Katze!« zu rufen.
    Wie sich herausstellte, war das Kätzchen gerade mal einen Tag alt und als Zwitter geboren. Offensichtlich hatten seine Mutter oder sein Besitzer oder beide es ausgesetzt. Als ich dem Tier dann einen Namen gab, hatte ich das Gefühl, ganz allein entscheiden zu müssen, welchem Geschlecht es von nun an angehören würde, auch wenn der Tierarzt mir ausführlich erklärt hatte, dass es eine eher männliche Anatomie besaß. Aber ich dachte an mein gebrochenes Herz und daran, dass ich bei der letzten Beförderung übergangen worden war, weil meine Chefin meinte, ich wäre schwanger – dabei war nur gerade Weihnachten gewesen und ich hatte mich wie jedes Jahr vollgestopft wie bei einem mittelalterlichen Bankett, den wilden Eber ausgenommen. Als mir dann noch einfiel, dass ich letzten Monat während meiner Tage furchtbare Bauchschmerzen gehabt hatte, eines Nachts in der U-Bahn von einem Penner angegrapscht worden war und mich meine männlichen Kollegen als Zicke bezeichnet hatten, nur weil ich deutlich meine professionelle Meinung vertreten hatte, kam ich zu dem Schluss, dass das Leben für die Katze als Kater vermutlich einfacher sein würde. Inzwischen glaube ich allerdings, dass es die falsche Entscheidung war, denn wenn ich das Tier aus Versehen Samantha oder Mary rufe, was gelegentlich vorkommt, schaut es mich mit einem Ausdruck an, den ich nur als Dankbarkeit bezeichnen kann. Meistens lässt es sich dann in einem meiner Schuhe nieder und starrt wehmütig auf den Pfennigabsatz, als symbolisiere er die Welt, die ihm geraubt worden ist. Aber ich schweife ab. Zurück zu dem Brief.
    Diesmal würde ich den Termin wohl oder übel wahrnehmen müssen. Es gab keinen Weg daran vorbei. Ich konnte ihn nicht erneut ignorieren und den Absender weiter verärgern.
    Aber wer war denn der Absender?
    Vorsichtig hielt ich das langsam trocknende Papier mit spitzen Fingern an einer Ecke fest, neigte erneut den Kopf und versuchte das umgeklappte Blatt zu lesen.
    Liebe Lucy Silchester,
    ich möchte Sie am Montag, dem 30. Mai 2011, zu einem Treffen bitten.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Ihr Leben
    Mein Leben. Na klar.
    Mein Leben brauchte mich. Es machte gerade eine schwere Zeit durch, und ich hatte ihm nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, war nachlässig geworden, hatte mich mit allerlei
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