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Ein Moment fürs Leben. Roman

Ein Moment fürs Leben. Roman

Titel: Ein Moment fürs Leben. Roman
Autoren: Cecelia Ahern
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hatte sich eigens einen Wagen gewünscht, der ein Minimum an Fahrkünsten von ihr verlangte, und aus diesem Grund besaß dieses Gefährt Parksensoren, die so viele Perspektiven abdeckten, dass sie piepten, wenn auf der Autobahn jemand drei Fahrspuren neben ihm vorbeifuhr. Auf der anderen Seite des gekiesten Bereichs parkte der Aston Martin meines ältesten Bruders Riley und der familientaugliche Range Rover meines mittleren Bruders Philip, aufgemotzt mit sämtlichen Upgrades, unter anderem mit Fernsehbildschirmen hinten in den Kopfstützen, damit den Kindern während der zehn Minuten Fahrt vom Ballett zum Basketballtraining nicht langweilig wurde.
    »Lass ruhig den Motor laufen, ich bin in höchstens zwei Stunden wieder da«, sagte ich und tätschelte Sebastian.
    Dann sah ich zum Haus empor. Ich weiß nicht, aus welcher Ära es stammte, auf jeden Fall nicht aus der »georgwardischen«, wie ich auf der Weihnachtsparty der Schuberts gewitzelt hatte, sehr zum Amüsement meines Bruders, zum Missfallen meines Vaters und zum Stolz meiner Mutter. Es war auf jeden Fall eindrucksvoll und von einem Lord Soundso als Landsitz erbaut worden. Später hatte der Lord sein Vermögen verspielt, und das Haus wurde an einen Mann verkauft, der ein berühmtes Buch schrieb, weshalb wir gesetzlich verpflichtet waren, eine Messingplakette mit seinem Namen am Tor anzubringen. Vorgeblich war sie zur Information für Literaturfans, aber in erster Linie wurde sie von den vorübereilenden Rosinenpopo-Walkerinnen wahrgenommen, die sie voller Neid anglotzten und sich ärgerten, dass an ihrem eigenen Haus nichts dergleichen zu bewundern war. Der berühmte Schriftsteller hatte eine verbotene Beziehung mit einem depressiven Dichter, der einen Ostflügel an die Villa anbauen ließ, um dort ungestört sein zu können. Im Haus gab es eine beeindruckende Bibliothek, die unter anderem die Korrespondenz von Lord Soundso mit Lady Wieauchimmer enthielt, dazu Liebesbriefe von Lord Soundso an Lady Heimlich, die er verfasst hatte, während er mit Lady Wieauchimmer verheiratet war, außerdem hingen Originalmanuskripte des berühmten Schriftstellers gerahmt an der Wand. Die Werke des depressiven Dichters dagegen standen ungeschützt neben einem Weltatlas und der Biographie von Coco Chanel auf dem Regal. Er hatte sich nie gut verkauft, nicht einmal nach seinem Tod. Nach einer gut dokumentierten turbulenten Affäre vertrank der berühmte Schriftsteller sein ganzes Geld, und das Haus wurde an eine wohlhabende deutsche Familie verkauft, die in Bayern Bier braute und das Haus als Ferienwohnung benutzte. Die Deutschen fügten einen Westflügel und obendrein einen Tennisplatz hinzu, von dem ihr Sohn Bernhard – nach den verblassten Schwarzweißfotos zu urteilen ein übergewichtiger und anscheinend unglücklicher, in zu enge Matrosenanzüge gequetschter Junge – jedoch allem Anschein nach wenig Gebrauch machte. In einem Walnussholzschränkchen der heutigen Silchester-Bar befindet sich übrigens noch eine Originalflasche des deutschen Familienbiers. Überall in dem Anwesen stieß man auf Erinnerungen und Spuren all dieser anderen Leben, und ich fragte mich oft, was meine Eltern hier – abgesehen von Ralph Laurens aktuellster Innenausstattung – wohl hinterlassen würden.
    Am Fuße der Steintreppe zur Eingangstür empfingen mich zwei grimmige Tiere, die ich noch immer nicht identifizieren konnte. Zwar sahen sie auf den ersten Blick aus wie Löwen, hatten aber Hörner, und zwei ihrer Beine waren eng ineinander verschlungen, was extrem unbequem aussah und mir immer vorkam, als ob sie, nachdem sie jahrhundertelang auf den Brunnen da draußen gestarrt hatten, dringend zur Toilette müssten. Vorausgesetzt, dass Ralph Lauren nicht gerade eine sehr finstere Phase durchmachte, hätte ich darauf gewettet, dass der berühmte betrunkene Schriftsteller oder der depressive Dichter diese Kreaturen ausgewählt hatten.
    Die Tür öffnete sich, und mein Bruder Riley erschien, grinsend wie die leibhaftige Grinsekatze.
    »Du bist aber spät dran.«
    »Und du bist ekelhaft«, erwiderte ich und meinte damit den Empfang vorhin am Tor.
    Er lachte nur.
    Ich trottete die Treppe hinauf und überquerte die Schwelle zur Eingangshalle mit ihrem schwarzweißen Marmorboden und doppelt hoher Decke, von der ein Kronleuchter von der Größe meiner Wohnung herabbaumelte.
    »Was denn – kein Geschenk?«, fragte mein Bruder und umarmte mich länger, als ich wollte, nur um mich zu ärgern.
    Ich
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