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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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Köberle.«
    »Ja, das sagten Sie.«
    Der Polizist beugte sich, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, durchs offene Fahrerfenster.
    »Genauso, wie Sie heute morgen sagten, eine Heirat zwischen Ihnen sei ausgeschlossen gewesen. Warum eigentlich?«
    Während Weidenbusch an einer Antwort knabberte, kam die grüne Mütze wieder zum Vorschein und drehte sich auf Tätersuche in alle Richtungen. Dann lösten sich die Hände hinter dem Rücken, zogen Block und Stift aus der Umhängetasche und machten sich daran, einen Freund-und-Helfer-Zettel auszustellen.
    »… ich wollte ja, aber als ich ihr den Vorschlag machte, hat sie nur den Kopf geschüttelt. Später wurde sie sogar wütend. Es hat wohl mit ihrer Kultur zu tun.«
    Daß alle Leute außerhalb Mitteleuropas für ihre Handlungen keine Gründe, sondern Kultur haben sollen. Ich sah den Beamten an meiner TÜV-Plakette reiben.
    »Okay, sobald ich was Neues habe, melde ich mich.«
    »Bringen Sie sie mir zurück?«
    »Natürlich. Machen Sie sich keine Sorgen. Bis bald.« Bevor er etwas erwidern konnte, hatte ich den Hörer auf die Gabel geworfen und rannte über die Straße.
    »Okay, okay! Bin wieder da! Sie können das Ding wegschmeißen.«
    Der Beamte, im Begriff, den Zettel hinter den Scheibenwischer zu klemmen, sah überrascht auf. »Bitte?«
    »Ich fahr schon weiter. Mußte kurz telefonieren.«
    »Na und? Halten auf der Fahrspur ist verboten.« Damit plazierte er den Zettel endgültig, richtete sich auf und schob die Mütze zurecht. »Im übrigen sollten Sie sich einen anderen Ton angewöhnen, junger Mann.«
    »Mit meinen Angestellten rede ich, wie ich will.« Während er verständnislos blinzelte, zog ich die Wagentür auf.
    »Das muß man sich mal vorstellen: ich zahle Ihnen Gehalt, damit Sie mir Strafzettel verpassen und mit dem Erlös andere bezahlt werden können, die mir auch wieder Strafzettel verpassen, und so weiter. Die Polizei is für mich also ’n völliges Minusgeschäft. Trotzdem zahle ich jedes Jahr Steuern, damit Sie ’ne Wohnung haben, Ihren Kindern Schulbücher kaufen und ins Kino gehen können. Überlegen Sie mal, würden Sie jemand ernähren, der Sie ständig in ’n Arsch tritt?«
    Er betrachtete mich, als hätte ich keine Tasse im Schrank, hätte nie eine drin gehabt und würde nie eine rein bekommen. Ich deutete über den Türrahmen auf seine Brust. »… sehen Sie. Aber ich tu’s. Da wär’s doch mal Zeit für ’ne versöhnliche Geste, und Sie nehmen den Strafzettel zurück?«
    Keine Reaktion. Unverändert, ein Auge leicht zugekniffen, die Stirn gerunzelt, stand er vor mir und schien meine Frage nicht gehört oder nicht verstanden zu haben.
    »… ach, vergessen Sie’s!« Ich setzte mich ins Auto und lehnte aus dem Fenster. »Klamotten vom Staat, in der Sonne faulenzen und Leute ärgern - in bestimmten Kreisen nennt man so was ›arbeitsscheu‹.«
    Zehn Minuten später parkte ich den Wagen gegenüber vom Ausländeramt, warf die Tür zu und rupfte wütend den Strafzettel vom Scheibenwischer.
    Die Büros für die Buchstaben K bis R befanden sich im zweiten Stock, linker Flur, hinter dem Kakaoautomaten. Den Flur säumten Menschen aller Hautfarben, die stehend, sitzend oder liegend auf ihre Nummer warteten. Bänke oder Stühle gab es nicht. Der Boden war mit Zigarettenkippen und falsch ausgefüllten Antragsformularen übersät, angegraute Plakate warben für Paulskirche und Römer - FRANKFURT AM MAIN, STADT DER SEHENSWÜRDIGKEITEN -, und über den Türen zeigten Digitaltafeln die aktuellen Nummern an. Ein Videospiel-PengPeng aus unsichtbaren Lautsprechern bedeutete ›Der nächste, bitte‹. Gesprochen wurde kaum, und wenn leise. Vielleicht weil jeder meinte, die Luft, die zwischen Schweißgeruch und kaltem Rauch übrigblieb, sparen zu müssen. Die Fenster ließen sich auf Grund von Sicherheitsvorschriften nicht öffnen.
    Ich hockte gegen die Wand gelehnt, links ein halbwüchsiger Dancefloor-Gigolo, der sich mit Marlbororauchen und Lockenordnen in Hektik hielt, rechts eine polnische Kleinfamilie. Vater und Mutter dösten über einer Tageszeitung, der Sohn schlug sich seit einer Stunde mit zwei Plastikcowboys herum. ›Bang‹, ›Zong‹ und ›Pfft‹… Ich hätte ihm auch gerne mal ›Pfft‹ gemacht.
    Plötzlich bahnten sich zwei Uniformierte einen Weg durch Beine, Kinder und Tüten, verschwanden in einem Büro S und zerrten kurz darauf einen jungen Schwarzen, der in gebrochenem Deutsch beteuerte, von einem Abschiebebescheid nichts
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