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Ein magischer Walzer

Titel: Ein magischer Walzer
Autoren: Anne Gracie
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dass du wieder reinkommst. Auf der Stelle!“
    „Ich gehe nicht, wenn du mich dann auch schlägst.“
    Auch? „Keine Sorge, Cassie, ich werde dich nicht schlagen. Aber du wirst mir dein Benehmen erklären, und wenn du es verdienst, wirst du bestraft werden.“
    Mit klopfendem Herzen beobachtete er, wie Cassie einen Moment nachdachte und schließlich langsam zurückkletterte. Ein weiterer Dachziegel zerbarst auf dem Kopfsteinpflaster in tausend Teile, ehe sie durch das Kinderzimmerfenster stieg. Sebastian begann wieder zu atmen. Als Erstes würde er die Fenster in den Zimmern der Mädchen vernageln lassen.
    „Und nun, mein Fräulein, erkläre mir, warum du dich in so große Gefahr begeben hast.“
    „Das war keine große Gefahr. Ich bin ja nicht runtergefallen, oder?“
    „Hast du Miss Thringstone geschlagen?“
    Cassie warf trotzig den Kopf in den Nacken. „Ja, das habe ich. Ich weiß, es war falsch, aber das ist mir egal. Ich hasse sie! “ Sie legte ihren Arm um ihre jüngere Schwester. „Das tun wir beide.“
    Wenigstens hatte sie zugegeben, dass es falsch gewesen war. Das war immerhin ein Anfang. Sebastian schaute die elfjährige Dorie an. Sie hielt den Kopf gesenkt, unter seinem Blick war ihr sichtlich unbehaglich. Argwöhnisch spähte sie unter ihrer dunklen Haarmähne hervor. Er sprach sanfter. „Miss Thringstones Aufgabe ist es, euch beide zu jungen Damen zu erziehen, Cassie. Ich weiß, dass das schwer sein muss. Aber ihr habt beide jetzt ein neues Leben, und Miss Thringstone ist hier, um euch dabei zu helfen, euch darauf vorzubereiten.“
    Cassie zog Dorie dichter an sich und schob ihr Kinn vor. „Wir hassen die pferdegesichtige alte Hexe, und von ihr werden wir nichts lernen.“
    Sebastian ignorierte ihre absichtliche Verwendung von Schimpfwörtern. Cassie besaß ein hitziges Temperament und konnte außerordentlich schwierig sein, doch eines hatte er in den vergangenen vier Monaten über sie gelernt: In der Regel gab es einen Grund für ihr unerhörtes Benehmen. Nicht notwendigerweise einen guten Grund, aber immerhin einen Grund.
    „Warum hasst ihr sie diesmal? Und warum hast du sie geschlagen?“
    „Weil sie Dorie geschlagen hat!“
    Sebastian erstarrte. Als sie vor vier Monaten hier in seinem Haus angekommen waren, zwei dürre kleine Straßenkinder, Dorie schweigsam zitternd und Cassie feindselig und Gleichgültigkeit heuchelnd, hatte er die Zeichen richtig gedeutet. In jenem Augenblick hatte er sich geschworen, dass sie nie wieder geschlagen werden würden. Er hatte der Gouvernante aufgetragen, dass sie, egal wie groß die Provokation auch sein mochte, die Mädchen auf keinen Fall mit Schlägen strafen dürfe. Niemals. Alle ernsteren Verfehlungen hatte sie ihm zu berichten.
    Aber er musste ganz sichergehen. Cassie war gewieft und nicht darüber erhaben, die Lage zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen.
    „Sie hat Dorie geschlagen?“, wiederholte er. „Wie? Und warum?“
    „Sie hat ihr eine Ohrfeige gegeben. Fest.“ Cassie schaute ihn herausfordernd an und fügte hinzu: „Für dumme Verstocktheit.“
    Sebastian atmete zischend aus. Dorie blickte auf. Ihr Haar fiel zurück, und Sebastian konnte ganz deutlich den roten Handabdruck auf ihrem blassen Gesichtchen sehen. Für dumme Verstocktheit!
    Er streckte die Hand aus, um ihr tröstend übers Haar zu streichen, aber beide Mädchen zuckten ängstlich zurück. Er schluckte und sagte leise: „Geht und wascht euch die Gesichter, Mädchen. Cassie, es war richtig, dass du deine Schwester beschützt hast. Du wirst nicht bestraft.“
    „Eine ordentliche Tracht Prügel würde diesen beiden Mädchen nur guttun! “, erklärte Miss Thringstone. „Ihnen fehlt es an Disziplin, Respekt und jeglichem Sinn für sittsames und anständiges Betragen.“
    „Ich glaube, ich habe meine Ansichten über körperliche Züchtigung deutlich genug zum Ausdruck gebracht.“ Mit mühsam beherrschtem Zorn zog Sebastian ein Blatt Papier von dem Stapel auf seinem Schreibtisch, das Empfehlungsschreiben, das sie als die „beste Gouvernante des Landes“ beschrieb. Er wandte sich wieder dem Verfassen ihres Entlassungsbriefes zu.
    Miss Thringstone zog ihre Jacke glatt und musterte ihn hochnäsig. „Ohne Prügel werden diese Mädchen niemals Zutritt zu irgendeiner ehrbaren Gesellschaft finden, geschweige denn Ihre lachhaften Ambitionen erfüllen!“
    „Diese Mädchen werden in angemessener Zeit ihr Debüt in der besten Londoner Gesellschaft machen.“ Das war die
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