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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos
Autoren: Jules Verne
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Fischgründen von Neufundland abgesegelt, und nun hatte Hulda nur die Briefe zu erwarten, welche ihr Verlobter mit jeder Postgelegenheit nach Europa zu senden versprochen hatte. Die stets mit Ungeduld erwarteten Briefe blieben denn auch nicht aus. Sie verbreiteten dann einen neuen Schimmer von Glück in dem seit der Abreise etwas traurigeren Hause.
    Die Reise selbst verlief unter günstigen Verhältnissen. Der Fischfang war ergiebig und mußte einen ansehnlichen Ertrag liefern. Am Ende jedes Briefes aber sprach Ole von einem gewissen Geheimnisse und von den Schätzen, die ihm dieses zuführen müsse. Dieses Geheimniß hätte Hulda gar so gerne gekannt, aber außer ihr auch Frau Hansen, aus Gründen, die der Leser nur schwer errathen dürfte.
     

    Ole schwor hier Hulda zu heiraten. (S. 32)
     
    Frau Hansen wurde nämlich allmählich immer düsterer, unruhiger und verschlossener, und ein Umstand, dessen sie nicht einmal ihren Kindern gegenüber erwähnte, konnte ihre Sorge leider nur vergrößern.
    Drei Tage nach dem letzten Briefe von Ole, am 18. April, kehrte Frau Hansen allein aus der Sägemühle zurück – wo sie beim Werkführer Lengling einen Sack Holzspäne bestellt hatte – und war jetzt eben auf dem Heimwege. Nicht weit von ihrer Thür trat ein Mann auf sie zu, der offenbar nicht aus dieser Gegend war.
    »Sie sind doch wohl Frau Hansen? fragte der Fremde.
    – Ja, antwortete sie, doch ich kenne Sie nicht.
    – O, das thut nichts, erwiderte der Mann. Ich bin diesen Morgen von Drammen gekommen und kehre auch dahin zurück.
    – Von Drammen? rief Frau Hansen lebhaft.
    – Kennen Sie wohl einen gewissen Herrn Sandgoïst, der daselbst wohnt?…
    – Herrn Sandgoïst! wiederholte Frau Hansen, deren Gesicht bei Nennung dieses Namens erbleichte. Ja… den kenne ich.
    – Nun wohl; als Herr Sandgoïst erfuhr, daß ich mich nach Dal begebe, hat er mich beauftragt, Ihnen einen Gruß von ihm zu überbringen.
    – Und… weiter nichts?…
    – Nichts, außer daß ich Ihnen sagen sollte, er werde Sie wahrscheinlich im nächsten Monat einmal aufsuchen! – Lassen Sie sich’s wohl gehen, und gute Nacht, Frau Hansen!«
V.
    Hulda war in der That betroffen über die Zähigkeit, mit der Ole in seinen Briefen immer und immer wieder von dem Glücksfall sprach, den er bei seiner Rückkehr erwarte. Worauf gründete der junge Mann diese Hoffnung? Hulda konnte es nicht errathen und es verlangte sie doch so sehr, es zu wissen. Man wird ihr eine so natürliche Neugier schon verzeihen dürfen, da dieselbe eigentlich mehr eine liebende Ungeduld zu nennen war. Das ehrsame, einfache Kind war nicht etwa ehrgeizig, noch hatten sich ihre Zukunftsträume je bis zu dem verstiegen, was man Reichthum nennt. Ihr genügte ja die Liebe Oles jetzt, und diese würde ihr stets genügen. Sollten sie einmal reich werden, nun so würde sie sich darüber recht freuen; wäre es nicht der Fall, so würde sie sich darum gewiß auch nicht grämen.
    So lauteten eben die Ansichten Huldas und Joëls, die sie am Tage nach dem Eintreffen des letzten Briefes von Ole äußerten; über diese Angelegenheit hatten Beide ganz die nämlichen Gedanken, wie überhaupt über alles Andere.
    Da sagte Joël jedoch noch:
    »Nein, es ist unmöglich, Schwesterchen! Du mußt mir unbedingt etwas verhehlen!
    – Ich, Dir verhehlen?
    – Ja! Daß Ole abgereist wäre, ohne Dir wenigstens etwas von seinem Geheimniß mitzutheilen, ist ja ganz unglaublich!
    – Hat er Dir ein Wort davon gesprochen, Joël? antwortete Hulda.
    – Nein, Schwester; ich bin auch nicht Du.
    – Doch, Du bist ich, Bruder.
    – Ich bin nicht die Braut von Ole.
    – Beinahe doch, erklärte das junge Mädchen, denn wenn ihm ein Unfall zustieße, wenn er von dieser Fahrt nicht zurückkehrte, würdest Du Dich davon getroffen fühlen, wie ich, und Deine Thränen würden ebenso fließen, wie die meinigen.
    – Aber, Schwesterchen, nein, entgegnete Joël, solche Gedanken solltest Du Dir nicht machen! Ole nicht zurückkommen von dieser letzten Fahrt auf die Hochseefischerei! Sprichst Du wirklich im Ernst, Hulda?
    – Nein, gewiß nicht, Joël! Und doch… Ich weiß nicht… mich foltern gewisse Ahnungen… böse Träume!…
    – Träume, liebe Hulda, sind weiter nichts als Träume.
    – Ja freilich, doch woher kommen sie?
    – Aus uns selbst und nicht etwa von oben. Du hast aber Angst, und diese Angst ist es, die Dich auch im Schlafe bedrückt. So geschieht es ja fast immer, wenn man etwas recht lebhaft wünscht und
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