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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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Unförmigkeit der Gestalt wiesen darauf hin, dass er sich hatte gehen lassen.
    Dennoch durfte ich ihn nicht unterschätzen. Er sprach mit seinen Besuchern, und seine Stimme war klar und schneidend wie eh und je. Er beobachtete jeden, der ihm seine Aufwartung machte, sehr aufmerksam, und er schien sich jedes Gesicht genau einzuprägen. Soweit ich es hören konnte, hatte er sich gründlich auf seine Gäste vorbereiten lassen, kannte nicht nur Namen, sondern konnte in der Plauderei immer auch auf Begebenheiten aus der Familiengeschichte oder der Verwandtschaft hinweisen, was seine Gesprächspartner erfreut zur Kenntnis nahmen.
    Plothar mochte der Frieden körperlich nicht gut bekommen sein, aber sein Geist und sein Verstand waren hellwach wie eh und je, und ich beschloss, mich vom Äußeren nicht ablenken zu lassen. Andererseits mochte die Tatsache, dass ich mich im Gegensatz zu ihm ganz ordentlich gehalten hatte, dazu führen, dass er mich mit noch mehr Neid und Abneigung betrachtete als schon während unserer Begegnungen in der Vergangenheit.
    Ich nahm einem vorbeieilenden Diener ein Glas Wein vom Tablett. Ich hatte noch einiges aufzuholen. Nachdem ich es geleert und abgestellt hatte, war ich an der Reihe, mich dem Grafen vorzustellen.
    Ich war doch etwas nervös.
    Plothars Blick richtete sich auf mich, als ich mich seinem thronähnlichen Sessel näherte, und seine Augen verengten sich sofort. Er versuchte, die Maske höflicher Freundlichkeit aufzubehalten, aber ich erkannte, wie sich der Mund verkniff und die Gesichtsfarbe etwas verdunkelte.
    Ich blieb in angemessenem Abstand vor ihm stehen und präsentierte mich mit einer perfekten und respektvollen Verbeugung, die vielleicht sogar etwas zu tief ausfiel, war ich doch im Grunde auch von Adel, wenngleich von etwas niedrigerem Rang.
    »Geradus Baron von Tulivar, zu Euren Diensten, ehrwürdige Hoheit«, säuselte ich. »Ich darf Euch die Glückwünsche der Untertanen Tulivars überbringen. Unsere Gebete für Eure segensreiche Herrschaft, andauernde Gesundheit und gute Nachbarschaft sollen Euch begleiten. Ich versichere Euch meiner Freundschaft und Unterstützung als Lord des Imperiums.«
    Ich sprach laut und klar und voller Respekt in der Stimme. Zahlreiche Augenpaare richteten sich auf uns. Viele im Raum würden zumindest ahnen, dass meine Aufwartung sich von der anderer Gäste unterschied, entweder, weil sie mich nicht auf der Gästeliste vorgefunden hatten, oder, weil sie von meiner Vergangenheit mit den Levellianern im Allgemeinen und Plothar im Besonderen wussten.
    Er hielt sich gut.
    »Ich danke Euch für Eure guten Wünsche und Gebete, Lord Tulivar«, erwiderte der Graf mit ruhiger und gefasster Stimme. »Ich danke Euch dafür, dass Ihr den weiten Weg auf Euch genommen habt, um diese zu überbringen. Das wäre mitnichten nötig gewesen.«
    Den kleinen Seitenhieb hatte er sich nicht sparen können. Ich nahm ihn mit einem erfreuten Lächeln entgegen.
    »Es ist mir eine Ehre, der Zeremonie beiwohnen zu dürfen«, erwiderte ich.
    »Ihr seid willkommen«, log Plothar. »Wie geht es in Tulivar?«
    »Es herrscht Friede und Eintracht.«
    »Ich hörte, Ihr hattet Probleme im Norden.«
    Ich machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Eine Kleinigkeit. Die Grenzen des Reiches sind sicher. Des Kaisers Gesetz wurde durchgesetzt. Es gibt keine ernsthafte Bedrohung für das Imperium.«
    Ein Glitzern trat in Plothars Augen, sonst ließ er sich aber nichts anmerken.
    »Das ist gut zu hören. Wir müssen das Reich wieder aufbauen. Der Krieg dauerte zu lang.«
    »Eure Worte sind wahr«, stimmte ich ehrlich zu, obgleich ich wusste, dass er diesmal der Lügner war. »Wir stehen alle vor großen Herausforderungen. Doch es ist unsere Aufgabe als Lords des Kaisers, diese gemeinschaftlich und im Geiste der brüderlichen Freundschaft zu bewältigen.«
    Plothar lächelte, vielleicht doch ein klein wenig säuerlich.
    »Erneut mein Willkommen, Lord Tulivar.«
    »Mein Lord!« Ich verbeugte mich ein zweites Mal und zog mich zurück, da jemand anders bereits auf die Aufmerksamkeit des Grafen hoffte.
    Als ich am Rande des Saals angekommen war und mich mit einem frischen Glas Wein bewaffnet hatte, nickte mir Selur anerkennend zu.
    »Das war ordentlich, Hauptmann.«
    Ich nahm einen Schluck und nickte durchaus selbstzufrieden.
    Plothar tat sein Möglichstes, mich für den Rest des Tages zu ignorieren. Ich widmete mich den anderen Gästen, meist örtlichen Notabeln und benachbarten Adligen wie mir,
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