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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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alle aus dem Süden stammend. Für sie war Tulivar bereits fernste Provinz, viele wussten nicht einmal um ihre Existenz. Ich beantwortete höflich alle Fragen, umging hoffentlich geschickt allzu direkte Nachfragen nach meinem Verhältnis zu Plothar und bemühte mich um eine Fassade unverbindlicher Höflichkeit und Zurückhaltung. Es war nicht an mir, als Gast, ob nun wohlgelitten oder nicht, Unfrieden in das Haus des Grafen zu bringen. Soweit es die anderen Anwesenden betraf, war es mein einziges Ansinnen, dem größeren, mächtigeren Nachbarn meine Aufwartung zu machen und meinen Respekt zu erweisen. Immerhin, die Notabeln aus Bell hatten bereits Wind von der Goldförderung bekommen und zeigten sich einem Gespräch mit mir durchaus aufgeschlossen, erkannten sie doch geschäftliche Möglichkeiten. Möglicherweise unterschätzten sie den Unwillen ihres Oberherrn, den eine Kooperation mit mir ohne Zweifel nach sich ziehen würde. Ich begegnete daher entsprechenden offenen oder verdeckten Offerten mit der gleichen Unverbindlichkeit all meiner Äußerungen, versprach nichts, lehnte aber auch nichts rundheraus ab, hielt mir alle Optionen offen – was letztlich für alle Beteiligten höchst unbefriedigend war. Ich hasste dieses Herumlavieren. Doch letztlich würde jeder intelligente Gesprächspartner exakt diese Verhaltensweise von mir erwarten und ich wollte nicht als der tumbe Tölpel vom Land dastehen.
    Als sich der Tag dem Abend zuneigte, wurden Vorbereitungen für ein Festbankett getroffen. Nichts wäre Plothar leichter gefallen, als für den einen zusätzlichen Gast einen Platz an der Tafel vorzubereiten, aber es wurde mir sehr schnell klar, als ich die Tischkarten und die darauf verzeichneten Namen sah, dass der Graf in seiner eher kleinlichen Ablehnung meiner Gegenwart zu verharren trachtete. Ich nahm dies ohne Murren zu Kenntnis und verabschiedete mich ohne großes Aufheben. Mir war immer noch nicht an einem Skandal gelegen.
    Selur, meine Männer und ich zogen uns in die Herberge zurück, in der wir untergekommen waren, nahmen ein einfaches, aber zufriedenstellendes Mahl zu uns und beschlossen, relativ früh zur Ruhe zu gehen. Den kommenden Tag verbrachten wir mit allerlei Tätigkeiten in der Stadt, meist eher geschäftlicher Natur, sprachen mit Händlern und Handwerkern, ermutigten Lehrlinge, eine eigene Werkstatt in Tulivar in Betracht zu ziehen, knüpften Beziehungen – Selur war besonders gut darin, obgleich diese mit dem Fortschritt der tulivarischen Wirtschaft eher wenig zu tun hatten – und so verging die Zeit recht schnell.
    Einer Pflicht aber musste ich mich noch entledigen, und sie erfüllte mein Herz mit Schwermut.
    Ich hatte den alten Grafen zu Bell nicht gekannt, aber mein Eindruck von ihm war ein guter gewesen, der eines Mannes von gewisser Bescheidenheit, der sein Los, Letzter seiner Linie zu sein, mit Würde trug. Er hatte ebenso wie viele seiner Untertanen auf die schmerzlichste Weise unter dem Krieg gelitten und er musste in dem Bewusstsein gestorben sein, dass die Grafschaft, die so lange in Händen seiner Familie gelegen hatte, nun ein Spielball politischer Interessen werden würde.
    Ich besuchte die Familiengruft.
    Ein alter Priester ließ mich ein. Das Gemäuer lag in einem kleinen Park in einer verwinkelten Ecke der Stadt, weitab der breiteren Gassen, abgeschirmt vom Lärm des Lebens. Ein passender Ort für eine letzte Ruhestätte, wie ich fand. Das Grab war einfach, geziert von einer Marmorplatte. Er war neben seiner früher verstorbenen Frau gebettet worden und neben dem Grab seines Sohnes, der niemals seine Nachfolge hatte antreten können. Es war so grundfalsch, dass ein Kind vor den Eltern starb, und doch war es in den letzten Jahren so oft passiert, dass es fast wie die Normalität erschien.
    Ich stand so da und starrte auf die Ruhestätte und betete zu den Göttern, dem indifferenten, launischen Pack, dass mein Schicksal ein anderes sein möge.
    Der alte Priester, der uns hineingelassen hatte, trat neben uns, schwieg eine Weile wie wir, ehe er leise flüsternd die Stimme erhob.
    »Ihr seid der Baron zu Tulivar, ist doch so?«
    Ich nickte.
    »Der Graf hat von Euch gesprochen. Er sagte einst, so wie Euch hätte er sich seinen Sohn vorgestellt, ein Mann von Tatkraft und gleichzeitig genug Verständnis, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wer weiß schon, was richtig ist?«
    Der Priester lächelte. »Das fühlt man doch.«
    »Das ist dummes
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