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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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erweitert werden, und so würden sich zunehmend Arbeiter und ihre Familien ansiedeln. Eine Straße zwischen dem Dorf und dem Bergwerk war bereits im Bau. Ich wollte nicht, dass die Zivilisten direkt bei der Schürfstelle lebten; stattdessen befahl ich, Felsdom so bald wie möglich mit Befestigungen auszustatten. Das Dorf sollte als Wehrdorf eine Rückzugsmöglichkeit für die Arbeiter darstellen, sollten sich die Bergkrieger erneut darauf einigen, das Bergwerk anzugreifen.
    Dann schrieb ich einen Brief an den kaiserlichen Hof und wartete auf Antwort. Der schnelle Ritt eines erfahrenen Boten mit Ersatzpferd in die Hauptstadt dauerte einen Monat und die Rückreise ebenso lange, bekam er sogleich eine Antwort. Also musste ich warten.
    In Bell tat sich nichts. Es war bemerkenswert, dass ich nicht zur Amtseinführungszeremonie eingeladen wurde, obgleich ansonsten alle umliegenden Adligen kommen durften. Mich verlangte es nicht danach, dort anwesend zu sein, doch ich ließ mich von mangelnder Höflichkeit auch nicht abhalten. Der Termin der Zeremonie lag günstig, traditionell am Tag der Sommersonnenwende, und ich hoffte, mit interessanten Neuigkeiten nach Bell reisen zu können. Bis dahin aber hieß es, weiterhin abzuwarten.
    Ich wurde endlich einmal nicht enttäuscht. Der Bote kam zurück, und er trug eine Antwort bei sich. Ich brach am nächsten Tag zusammen mit Selur und zwei weiteren Männern, die einigermaßen präsentabel waren und über ausreichende Tischmanieren verfügten, nach Bell auf, um der Zeremonie, zu der ich nicht geladen war, doch beizuwohnen. Als Lord des Imperiums durfte man mir die Teilnahme nicht verwehren, und als nicht geladener Gast war ich mir der Aufmerksamkeit des neuen Grafen sicher.
    Die Kombination empfand ich als durchaus reizvoll.
    Nach einer unbeschwerlichen Reise trafen wir zwei Tage vor der Zeremonie in der festlich geschmückten Hauptstadt der Provinz ein. Die Torwachen ließen uns anstandslos passieren und würden meine Ankunft wenige Augenblicke später bereits im herrschaftlichen Stadtpalais des Grafen bekannt gegeben haben. Ich suchte mir mit meiner Delegation eine einigermaßen ordentliche Herberge – wir durften ja diesmal die Gastfreundschaft des Grafen nicht genießen – und mussten herausfinden, dass wir nicht die einzigen Gäste waren, die noch auf der Suche nach Unterkunft durch die Stadt streiften. Mein Reisebudget wurde erheblich reduziert, als ein gewitzter Wirt die Chance sah, einen hochwohlgeborenen Herren mit mangelnden Fähigkeiten der Reisevorbereitung einmal so richtig auszunehmen. Dafür aber war das Zimmer, das ich mir mit meinen Männern teilte, groß genug, einigermaßen sauber und es gab immerhin ein vollmundiges Versprechen auf ein Frühstück. Was mir ebenso wichtig war: Unsere Pferde hatten noch einen annehmbaren Stallplatz ergattert.
    Ich zögerte nicht lange und tat, wie es die Höflichkeit gebot: Ich eilte mit meinen Gefolgsleuten ordentlich gekleidet – etwas herausgeputzt womöglich, aber das war sicher Ansichtssache – zum Palais, um dem neuen Herrn über meine unmittelbare Nachbarschaft meine Aufwartung zu machen.
    Da ich mich mit Ernennungsurkunde und höfischem Gehabe ausreichend ausweisen konnte, wurden wir in den großen Saal vorgelassen, den ich zuletzt zu Lebzeiten des leider verstorbenen Amtsinhabers betreten hatte. Obgleich die Zeremonie erst noch bevorstand, war im ganzen Palais ziemliche Hektik ausgebrochen, und der neue Graf war damit beschäftigt, alle möglichen Gäste zu empfangen und zu bewirten. Ich hatte die Gelegenheit, mir den guten Plothar erst einmal in Ruhe aus der Ferne anzusehen.
    Ich kannte ihn als drahtigen, muskulösen Mann mit stechenden, blauen Augen, ein Meister des Schwertes und des Langdolchs, dem es nie an persönlichem Mut im Kampf gemangelt hatte – Ehre, wem Ehre gebührt. Er gehörte zu den wenigen Levellianern, die militärische Meriten aus echter Leistung und nicht nur aufgrund des Familiennamens erlangt hatten, und das war anerkennenswert. Der Mann, den ich damals kennengelernt hatte, war jedoch augenscheinlich in der Zwischenzeit anderen Herausforderungen ausgesetzt worden – vornehmlich zu vielen leckeren Torten, zu vielem Wein und Bier und zu vielem Müßiggang. Ich ahnte, dass sich unter dem Fett noch die Muskeln befanden, die Plothar einst ausgezeichnet hatten – so lange war das schließlich nun doch noch nicht her –, aber der wässrige Blick, die bleiche, aufgedunsene Haut und die zunehmende
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