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Ein Leben als Geist (Romeo & Julian) (German Edition)

Ein Leben als Geist (Romeo & Julian) (German Edition)

Titel: Ein Leben als Geist (Romeo & Julian) (German Edition)
Autoren: Sage Marlowe
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oder etwa nicht? Einen Unterschied, über den die Person, die ihn umbringen wollte, nicht weiter nachdenken würde.
    Julian öffnete lautlos eine Schublade und schob seine Hand hinein. Ja. Es war die mit den scharfen Küchenmessern darin. Er ließ vorsichtig seine Fingerspitze über den kalten Stahl einer Klinge gleiten, darauf bedacht, auf der stumpfen Seite zu bleiben, bis er den Griff erreichte und sich sicher war, es herausnehmen zu können ohne dabei allzu viel Lärm zu verursachen. Das Messer glitt leise und problemlos heraus. Julian wog es in der Hand. Es war zwar nicht sehr lang, aber es musste reichen. Wenigstens war es wirklich scharf. Es war das, mit dem er am Abend das Gemüse geschnitten hatte. Er packte es fester, wütend darüber, dass ein verdammter Einbrecher—oder die Person, die vermutlich schon einmal versucht hatte, ihn umzubringen—ihn so sehr aus der Fassung bringen konnte. Er sah das Messer nochmals an. Die schlanke, aber unnachgiebige Silhouette beruhigte ihn etwas.
    Es war ein gutes Messer und irgendwie erinnerte es ihn an Romeo. Er hatte ebenfalls die täuschend schlanke und graziöse Figur eines Balletttänzers, besaß aber eine erstaunliche Kraft. Seine durchtrainierten Muskeln waren wie Stahlseile wenn er sie einsetzte und Julian hatte sie im Einsatz zu spüren bekommen. Mit einem Schauern erinnerte er sich an den Moment vor dem Verhörraum, als ihm klar geworden war, dass Romeo wesentlich gefährlicher war, als er es jemals angenommen hatte.
    „Alles in Ordnung?“
    Julian fuhr zusammen. Das Messer fiel mit einem Klappern zu Boden, gerade laut genug, um das wahnsinnige Hämmern seines Herzens zu übertönen. „Wo zum Teufel kommst du denn her?“
    Romeo deutete mit dem Daumen über seine Schulter, zur Tür. „Von draußen.“
    „Aber… Die hatte ich doch die ganze Zeit im Blick!“
    „Ach, hattest du das?“
    „Um… Ich weiß nicht“, gab Julian zu. „Eine Zeitlang schon, aber da war ein Geräusch und… Oh, verdammt.“ Er stöhnte als er an das seltsame Rascheln und seine sinnlose, unverhältnismäßige Angst dachte. Jetzt, mit Romeos beruhigender Präsenz direkt neben ihm, erschien ihm seine Reaktion darauf nur noch lächerlicher. Er ging in die Hocke, hob das Messer auf und legte es dann in seine Schublade zurück.
    „Was war das eigentlich? Wenn du hier warst, musst du es doch auch gehört haben.“
    „Was genau meinst du?“
    „So ein Rascheln und Tappen. Ich glaube, es kam aus dem Schlafzimmer.“
    Schwache Falten erschienen auf Romeos Stirn. „Das war wahrscheinlich ich. Ich war gerade da drüben.“
    „Im Schlafzimmer? Was wolltest du denn da?“
    „Wieder zu meinem Liebsten ins Bett schlüpfen natürlich oder was dachtest du?“
    Julians Erinnerungen schweiften zu der großen Kiste mit Ausrüstungsgegenständen die er in Romeos Kleiderschrank entdeckt hatte als er das erste Mal bei ihm übernachtet hatte. Seile und schwarze Kleidung, die, wie er wusste, Romeo bevorzugt bei seinen Einbrüchen trug. Und dann war da noch der Stapel falscher Pässe mit Scheinidentitäten von deren Existenz Julian nicht die geringste Ahnung gehabt hatte. Bis zu diesem Moment war er tatsächlich versucht gewesen, zu glauben er hätte alle von Romeos zahlreichen falschen Namen aufgedeckt, aber da hatte er sich offensichtlich sehr getäuscht.
    Die Versuchung, Romeo für all das zur Rede zu stellen, war stark, aber es war nicht der richtige Moment. Stattdessen seufzte Julian und rieb sich die Augen. „Ich… Oh, verdammt. Ich glaube, ich bin ein bisschen neben der Spur. Tut mir leid. Scheint a ls ginge mir das alles doch näher als ich gedacht hatte.“
    Den Kopf zur Seite geneigt, sah Romeo ihn mit einem zärtlichen Ausdruck in den Augen an. „Wieso bist du überhaupt auf? Ich dachte du würdest tief und fest schlafen.“
    „Das Telefon hat geklingelt und ich bin aufgewacht, und du warst nicht da, also bin ich aufgestanden um… Ach, ich weiß auch nicht.“
    Romeo hatte aufgehorcht. „Das Telefon? Wer war es?“ Seine Stimme war noch immer ruhig. Anders als Julian, der sich dieser Tage vor seinem eigenen Schatten erschreckte, brachte ihn wohl so leicht nichts aus der Ruhe.
    „Woher soll ich wissen, wer es war?“ entgegnete Julian. „Ich bin ja nicht dran gegangen.“
    „Warum nicht?“ Romeos Miene verriet wie üblich keinen einzigen seiner Gedanken. Sein Lächeln wirkte maskenhaft und seine Stirn war leicht gerunzelt, vielleicht aus Unbehagen angesichts der Vorstellung,
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