Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein König für San Rinaldi

Ein König für San Rinaldi

Titel: Ein König für San Rinaldi
Autoren: PENNY JORDAN
Vom Netzwerk:
Blick, den er ihr zugeworfen hatte. Außerdem sollte sie bald heiraten. Nicht einmal als Jugendliche hatte sie von einem hochgewachsenen und attraktiven Mann geschwärmt, den sie zufällig auf der Straße gesehen hatte. Wieso passierte das ausgerechnet jetzt?
    So wirkt Venedig eben auf dich, gestand Natalia sich ein. In dieser Stadt widerfuhren ihr Dinge wie sonst an keinem Ort. Ihre Fantasie war hier angeregter, die Farben erschienen Natalia hier intensiver, die Geräusche anders. Diese Stadt besaß einen Zauber wie keine andere – in mehr als einer Hinsicht.
    „Ach, Sie sind es, Signorina! Sie werden mit jedem Besuch schöner!“ Der alte Mario, Familienoberhaupt in der Glasbläserei, empfing Natalia mit einem breiten herzlichen Lächeln.
    „Und Sie werden ein immer größerer Schmeichler, Mario“, entgegnete Natalia lachend. Dabei blickte sie erwartungsvoll an dem Mann vorbei zum innersten Heiligtum, der Vitrine, in der die Einzelstücke aufbewahrt wurden. Natalia kam sich wie ein Kind bei der Weihnachtsbescherung vor und konnte kaum erwarten, sich etwas auszusuchen.
    Mario ging voraus. Schon wollte Natalia ihm folgen, doch sein Sohn hielt sie zurück.
    „Entschuldigen Sie, aber wir haben diesmal etwas Besonderes für Sie“, sagte er höflich. „Mein Vater hat es selbst gemacht. Er sagte, er hätte plötzlich an Sie gedacht und sei seiner Inspiration gefolgt.“
    Innerlich schluckte Natalia, ließ sich jedoch nichts anmerken. Dennoch, sie hatte ihre eigenen Vorstellungen und wollte selbst ein Parfumfläschchen aussuchen. Andererseits brachte sie es nicht übers Herz, den alten Mann womöglich zu enttäuschen und zu beleidigen.
    Er ging ins Lager. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, ehe er mit einem sichtlich oft gebrauchten Karton zurückkehrte, der bis oben hin mit zusammengeknülltem Papier gefüllt war.
    „Hier“, sagte er und hielt ihr den Karton hin.
    Höflich lächelnd nahm sie den Pappkasten entgegen und zog vorsichtig das Papier heraus, bis sie ein kleines Parfumfläschchen entdeckte. Auf den ersten Blick nahm Natalia nur alle Farben des Regenbogens wahr, in sämtlichen Schattierungen, mit Silber und Gold durchzogen. Es waren die schönsten Farben, die sie je gesehen hatte. Schier überwältigt, konnte sie kaum eine vorherrschende Farbe bestimmen.
    „Nehmen Sie es in die Hand“, drängte Mario.
    Zögernd holte sie das Fläschchen aus dem Karton und hielt es andächtig hoch.
    „Sehen Sie genau hin“, verlangte der Glasbläser.
    Es verschlug Natalia den Atem. Das Fläschchen schimmerte und glühte im Licht, als wäre das Glas noch flüssig. Dem Gefäß schien ein Leben innezuwohnen, das vibrierte und pulsierte. Natalia wagte kaum, den Flakon in den Fingern zu halten, um ihn nicht zu beschädigen.
    „Was ist das?“, flüsterte sie tief beeindruckt.
    „Diamantglas nach einem sehr alten und ganz besonderen Rezept“, erklärte Mario. „Wir setzen es nicht mehr ein, weil man nur schwer an die nötigen Zutaten herankommt. Außerdem müssen sie mühsam zermahlen und dann so stark erhitzt werden, dass es für den Glasbläser nicht ungefährlich ist. Es geht die Legende, dass nur der Doge nach diesem Rezept erzeugtes Glas besitzen durfte.“
    „Das Rezept wurde der Sage nach einem einflussreichen Kalifen gestohlen“, warf sein Sohn ein. „Nur meine Familie kennt die genaue Zusammensetzung und Vorgehensweise.“
    „Es ist wunderschön“, flüsterte sie.
    „Es ist ein einmaliges Stück.“ Der junge Mann pflichtete ihr lächelnd bei. „Wahrscheinlich wird nie wieder ein solches Glasgefäß gefertigt. Mein Vater hat es eigens für Sie gemacht. Man sagt, wenn jemand reinen und gütigen Herzens diese Flasche anfasst, dann schimmert und leuchtet sie wie jetzt eben. Wenn aber jemand mit finsteren Absichten und falschem Herzen danach greift, wird das Glas kalt, und die Farben verblassen. Bisher haben wir noch nicht prüfen können, ob das stimmt. Aber mein Vater schwört darauf.“
    Der alte Mann sagte etwas im venezianischen Dialekt, das sein Sohn übersetzte. Dass Natalia es verstanden hatte, ahnte er nicht.
    „Mein Vater sagt, dass dieses Fläschchen Sie stets an die Reinheit Ihres Herzens und die wahre Schönheit erinnern wird, die von innen kommt. Es soll Ihr Leben lang Ihren Geist beflügeln und Ihr Herz erwärmen.“
    Mit einem Mal stiegen ihr Tränen in die Augen. Insgeheim befürchtete sie, dass sie viel Wärme brauchte, um ihre kalte Ehe zu ertragen. Mit jedem Tag zweifelte Natalia stärker
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher