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Ein kleiner Ritter um halb vier

Ein kleiner Ritter um halb vier

Titel: Ein kleiner Ritter um halb vier
Autoren: dtv
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wäre.
    Olaf lachte. »Wollt ihr mitschreiben? Da ist Papier!« Er deutete auf den Küchentisch.
    Theo und Mara nickten. Nebenan rumpelte es gehörig, aber weil die raue Stimme von der CDgerade besonders rau krächzte, schien Olaf auch dieses Mal nichts bemerkt zu haben. Er atmete tief ein. Dann stieß er hervor:
    » O schwöre nicht beim Mond, dem wandelbaren,
    der immerfort in seiner Scheibe wechselt,
    damit nicht wandelbar dein Lieben sei! «
    »Aber das reimt sich nicht«, wandte Mara ein. Sie notierte trotzdem mit, so gut es ging.

    Olaf stutzte. »Das ist von Shakespeare. Berühmt. Capito? Schon mal von Romeo und Julia gehört?«
    Mara schüttelte den Kopf und Theo stellte sich vor, wie Papa Mama etwas vom Mond vorsang. Er an Mamas Stelle würde sofort alle nackten italienischen Statuen links liegen lassen und nach Hause kommen. Es war auf jeden Fall nicht schlecht, auch wenn es sich nicht reimte!
    »Tja, Kinder, studieren, studieren, dann lernt ihr was! Fünftes Semester!« Olaf grinste. »Gedichte müssen sich mitnichten reimen! Hier hab ich sogar ein selbst gemachtes, was sich überhaupt kein bisschen reimt und was ich umwerfend finde. Das könnte was für eure Hausaufgabe sein. Damit eure Lehrerin mal mit moderner Literatur in Kontakt kommt!«
    Er zog die Schublade am Küchentisch auf.
    Von irgendwoher klang es, als würden Zahnbürsten zusammen mit einem Zahnputzbecher zu Boden fallen, aber Olaf war in seine Unterlagen vertieft. Er begann:

    Er hielt inne und schaute Theo und Mara erwartungsvoll an.
    Die beiden wussten nicht, was sie sagen sollten.
    »Es ist eher experimentell«, gab Olaf zu, als er ihre leeren Gesichter sah. »Gedichte für Fortgeschrittene.«
    »Was heißt experimentell?«, fragte Theo, aber eine Antwort bekam er nicht, denn in diesem Augenblick krachte es im Nebenzimmer, diesmal unüberhörbar laut. Durch die Küchentür flatterten ein paar Zettel.
    Olaf sprang auf. »Was ist denn das?«
    Theo hatte die schlimmsten Befürchtungen, als er mit Mara hinter Olaf ins Wohnzimmer lief. Aber es war noch schlimmer.
    Ein Zimmer war eigentlich nicht mehr zu sehen. Kreuz und quer auf dem Boden lagen Zettel, Papiere, Bücher, Ordner, Hefte, noch mehr Bücher, Fotos und Scherben.
    Keine Ahnung, wie Kasimir das geschafft hatte.
    Olaf raufte sich die Haare. »Mein Regal! Wie konnte denn das passieren? Ich hatte es aus Brettern und Ziegelsteinen selbst gebaut – und es hat immer gehalten. Fünf Semester lang!«
    Dann sprang er auf den Hocker, der neben seinem Schreibtisch stand. »Und was, um alles in der Welt, ist das?«
    Theo hielt den Atem an und folgte seinem Blick.
    Unter einem halb aufgeschlagenen Buch lugte Rosalinde hervor. Erst schnupperte sie. Dann biss sie in den Buchdeckel.
    »Eine Ratte!«, rief Olaf. »Sollte diese Ratte mein Regal angenagt haben?«
    »Das ist keine Ratte, sondern ein Meerschweinchen«, verteidigte Mara Rosalinde.
    Olaf starrte sie an. »Von euch? Ihr habt diese Meerratte mitgebracht? Ha! Und sie hat mein Regal zum Einsturz gebracht!«
    Er holte tief Luft, dann griff er sich hinters Ohr, steckte die Zigarette in den Mund und zündete sie doch an.
    Theo wünschte sich weit weg. Irgendwohin, wo Mama war und ihm Pfannkuchen machte und kein Ritter und kein Meerschweinchen weit und breit.
    »Also«, paffte Olaf, »vielleicht hatte ich es vergessen zu sagen, aber dies ist eine tierfreie Wohnung. Tja. Ähäm. Ich hoffe, ich konnte euch behilflich sein. – Das nennt man übrigens indirektes Sprechen. Lernt man im ersten Semester.«
    »Wir sollen gehen«, krächzte Theo.
    Olaf kramte einen Aschenbecher aus dem Chaos. »Genau.«
    Theo und Mara nickten und Mara zog Rosalinde unter einem Buch hervor.
    Olaf rieb sich die Augen. »Die Ratte hat einen Sattel.«
    »Das täuscht«, erwiderte Mara und nahm Rosalinde auf den Arm.
    Olaf zog heftig an seiner Zigarette. »Wahrscheinlich. Die ganze Welt ist Täuschung. Nun macht mal einen Abflug. Ich muss dringend aufräumen!«
    »Tut uns echt leid«, murmelte Theo noch, während Mara sich ihren Notizzettel vom Küchentisch schnappte.
    »Schon okay«, seufzte Olaf missmutig. »Ich würde auch gern den Abflug machen. Wenn ich ein Vöglein wär « , begann er plötzlich theatralisch zu trällern, » und auch zwei Flüglein hätt, flög ich zu dir, weils aber nicht kann sein, bleib ich allhier. «
    Mara kritzelte vorsichtshalber auch diesen Spruch auf.
    »Also dann … dann gehen wir mal … alle!«, rief Theo laut und beschwörend in den
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