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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren
Autoren: Jules Verne
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heftigem Zorn.
    »Was mag der Hund nur haben!« sagte Kapitän Hull, während das Boot um das Hintertheil des Schiffes herumfuhr, um an dem unter Wasser liegenden Theil des Verdeckes anzulaufen.
    Kapitän Hull sowohl konnte bemerken, wie man es auch an Bord des »Pilgrim« selbst gewahr wurde, daß die Wuth des Hundes plötzlich ausbrach, als Negoro seine Küche verließ und sich nach dem Verdeck begab.
    Kannte der Hund den Koch schon und erkannte er ihn etwa wieder? Das war doch kaum anzunehmen.
    Inzwischen hatte das Boot den Stern des Fahrzeugs passirt. Letzteres trug an demselben nur den Namen: »Waldeck«.
    »Waldeck«, aber keinen Namen eines Heimathafens. Aus der Bauart des Rumpfes und anderer gewissen Details, welche das Auge eines Seemannes sogleich wahrnimmt, hatte Kapitän Hull mit Sicherheit erkannt, daß das Schiff von amerikanischer Construction war. Sein Name bestätigte übrigens diese Voraussetzung. Und jetzt – war dieser unbehilfliche Rumpf das Einzige, was von einer großen Brigg von fünfhundert Tonnen übrig war.
    Am Vordertheil des »Waldeck« bezeichnete ein großes Leck die Stelle, an der ein Zusammenstoß stattgefunden hatte. In Folge des Umschlagens des Rumpfes blieb diese Oeffnung fünf bis sechs Fuß über Wasser, wodurch es sich erklärte, daß die Brigg nicht weiter sank.
    Auf dem Verdeck, welches der Kapitän nun vollständig übersehen konnte, befand sich Niemand.
    Der Hund hatte die Schanzkleidung verlassen und glitt bis nach der offenstehenden großen Luke, von wo er bald nach außen, bald nach dem inneren Schiffsraume hin bellte.
    »Das Thier ist sicher nicht allein an Bord! meinte Dick Sand.
    – Nein, gewiß nicht!« bemerkte auch der Kapitän.
    Das Boot fuhr nun längs dem fast halb versenkten Barkholze des Backbords hin. Bei einem einigermaßen starken Seegange wäre der »Waldeck« unzweifelhaft binnen wenig Augenblicken versunken.
    Das Verdeck der Brigg erschien wie abgefegt von einem Ende zum anderen. Vom Großmast und dem Fockmast standen nur noch Stümpfe, da beide etwa zwei Fuß unter der Mars abgebrochen waren und bei ihrem Sturze die Wanten, die Puddings und überhaupt die Takellage mit sich gerissen hatten. Soweit indeß das Auge reichte, konnte man keinerlei Seetrift weiter in der Nähe des »Pilgrim« entdecken, was darauf hinzudeuten schien, daß die Katastrophe sich schon vor mehreren Tagen ereignet haben mußte.
    »Sind bei dieser Katastrophe wirklich einige Unglückliche mit dem Leben davon gekommen, so dürfte sie der Hunger oder der Durst schon getödtet haben, denn in der Kambüse kann kein Wasser mehr sein. Wir werden an Bord also kaum etwas Anderes als Leichname antreffen!
    – Nein, widersprach ihm lebhaft Dick Sand, der Hund würde nicht in dieser Weise bellen; hier sind noch lebende Wesen!«
    Wie als Antwort auf die Behauptung des Leichtmatrosen glitt der Hund in’s Meer hinab und schwamm mühsam auf das Boot zu, denn er schien völlig erschöpft zu sein.
    Man nahm ihn auf und er stürzte sich nicht auf ein Stück Brot, das Dick Sand ihm zunächst anbot, sondern auf einen Eimer, der ein wenig Süßwasser enthielt.
    »Das arme Thier stirbt fast vor Durst!« rief Dick Sand.
    Das Boot suchte nun eine geeignete Stelle, um bequem am »Waldeck« anlegen zu können, und entfernte sich zu diesem Zwecke auf einige Faden. Der Hund schien jedenfalls anzunehmen, daß seine Retter nicht an Bord gehen wollten, denn er packte Dick an der Jacke und sein klägliches Bellen erscholl von Neuem mit gewachsener Kraft.
    Man verstand ihn. Seine Pantomime, seine Sprache waren eben so deutlich, wie es die eines Menschen nur hätten sein können. Das Boot glitt noch bis zu den Ankerbalken des Backbords. Dort legten es die beiden Matrosen fest an, während Kapitän Hull und Dick Sand gleichzeitig mit dem Hunde das Verdeck bestiegen und sich nicht ohne Mühe bis zu der Luke zwischen Fock-und Großmast hinarbeiteten.
    Durch diese Luke drangen Beide in den Raum ein.
    Der mit Wasser halb gefüllte Raum des »Waldeck« enthielt keinerlei Waaren. Die Brigg segelte also unter Ballast – ein Ballast von Sand, der sich nach Backbord hin gesenkt hatte und dazu beitrug, das Schiff auf der Seite zu halten. Hier war demnach nichts zu bergen und zu retten.
    »Niemand hier! rief Kapitän Hull.
    – Niemand!« antwortete der Leichtmatrose, der bis zum Vordertheil des Raumes gegangen war.
    »So steigen wir wieder hinauf!« sagte der Kapitän.
    Beide erschienen wieder auf dem Deck.
    Da lief der
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