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Ein Jahr in London

Titel: Ein Jahr in London
Autoren: Anna Regeniter
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durchgekaut worden sind. Müll auf der Straße, Müll im Park, eine ungenügende Zahl an Polizisten und nicht genügend Ampeln für Schulkinder. Die gleichen Probleme wie in jeder Großstadt.
    „Nish, bitte hilf mir. Mir fällt einfach nichts ein.“
    „Mh“, er zögert einige Zeit. „Wie wär’s mit Müll?“
    Ich gebe auf und schreibe also einen weiteren Brief zum Thema Abfall.
    Fünf Minuten später lese ich ihn Nish vor.
    „ Dear Editor , ich wohne bereits seit meiner Kindheit in Tottenham und muss sagen, dass das Müllproblem in unserem Stadtteil immer größer wird. Während andere Londoner Viertel wie Hampstead oder Chelsea ihre eigenen Müllcontainer haben, wird hier der Müll einfach in schwarzen Säcken auf die Straße geworfen und bleibt dann dort liegen, bis die Müllabfuhr sie abholt. Kein Wunder, dass nicht viele Touristen zu uns kommen. Warum lässt die Stadtverwaltung uns so im Stich? Hochachtungsvoll, Mohammed Imran.“
    „Perfekt. Noch vier solcher Briefe und die Seite ist voll.“
    Ich erdichte mir U-Bahn-Gleise, die so alt sind, dass man in den Zügen gefährlich hin- und hergeworfen wird, Lobbriefe über Artikel, die wir in der letzten Ausgabe veröffentlicht haben, und Kritik daran, dass unsere Horoskop-Seite nicht mehr besteht.
    „Perfekt! Thank you so much!“ , lobt mich Dennis, als er meine Meisterwerke anschließend liest. „Und zum Dank darfst du dann tatsächlich nächste Woche Mr Farrant, den Vampirjäger, interviewen. Das wolltest du doch, oder?“
    Ich nicke, und verbringe den Rest des Tages damit, die merkwürdigen Bücher über den Highgate Friedhof und den angeblich dort wohnhaften Vampir zu lesen. Vielleicht liegt es an den vielen uralten Gebäuden, die sich überall auf der Insel finden, oder einfach an der Fantasie der Engländer, auf jeden Fall scheinen sich Gespenster in Großbritannien ganz besonders wohl zu fühlen. Die meisten Städte haben ihre eigenen Ghost Walks , also Geister-Führungen, jeder ältere Pub scheint seine Gespenstergeschichte zu haben und ein Großteil der Bevölkerung behauptet, zumindest eine Person zu kennen, die schon einmal Bekanntschaft mit der Geisterwelt gemacht hat.
    Und Mr Farrant besteht sogar darauf, einen ganz besonders heißen Draht zu allem zu haben, was spukt. Er ist nämlich ein Psychic Investigator .
    „Ja, ja, das sagt er nur so, wahrscheinlich ist er selber ein Geist. So sieht er jedenfalls aus. Glaub es mir nur“, wiederholt Helen immer wieder.
    Allmählich wird mir doch etwas unheimlich zumute.
    „Aber keine Angst, wir sind nebenan, wenn du ihn interviewst“, muntert mich Nish auf.
    Ich lache nervös und notiere mir einige Fragen, die ich Mr Farrant nächste Woche stellen werde.
    Zum Glück treffen wir uns weder auf dem Friedhof noch in einem Spukhaus, sondern Mr Farrant kommt zu uns in die Redaktion.
    „Hu-hu, der Vampir wartet unten auf dich!“, kommt schließlich am kommenden Montag ein Durchruf aus Dennis’ Büro, und ich eile die Treppe hinab, um ihn zu begrüßen.
    „Mr Farrant?“
    Ein hagerer, weißhaariger Mann mit wässerig-blauen Augen drückt mir schüchtern die Hand. Um seinen Hals hängt ein riesiges Amulett, welches er vor meinem neugierigen Blick schnell unter seinem Hemd versteckt.
    Er erzählt mit dünner Stimme von seinen Begegnungen mit der Geistergestalt auf dem Highgate-Friedhof, erzähltdavon, dass man bei Umbauarbeiten an alten Häusern vorsichtig sein müsse, weil dabei dunkle Kräfte freigesetzt werden könnten, und beschreibt die verschiedenen Gespenster, die ihm bei seinen Erkundungen schon über den Weg geflogen seien.
    Nachdem er mir seine kalte Hand zum Abschied gereicht hat und im Lärm der West Green Road verschwunden ist, stürzen sich Dennis, Nish und Helen sofort auf mich.
    „Er ist merkwürdig , isn’t he ?“, fragt Nish neugierig.
    „Hat er dir nicht auch Angst gemacht?“
    „Eigentlich war er ganz sympathisch“, sage ich stolz. „Er schien mehr Angst vor mir zu haben als ich vor ihm. Und er erzählte alles mit so eindringlichem Blick, dass es schwer war, ihm nicht zu glauben.“
    „Siehst du, er hat dich hypnotisiert!“, lacht Dennis. „Dann schreib jetzt einen langen Artikel über sein neues Buch, dann lässt er uns hoffentlich für ein paar Monate in Ruhe.“

Juli
    In der nächsten Woche versuche ich, sämtliche Freunde zu überreden, mich zum Highgate Cemetery zu begleiten. Schließlich brauchen wir noch ein paar stimmungsvolle Fotos für meinen Bericht.
    Da sowohl
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