Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
legte ihm den Arm um die Schultern: »Komm, mein Junge, setz dich. Es hilft Sabine nicht und es nützt dir nichts, wenn du hier wie ein Tiger herumläufst.«
    »Ich will Sabine sehen.«
    »Ich würde dir davon abraten, selbst wenn es möglich wäre, daß du sie besuchst.«
    Eine Bewegung entstand im Raum. Fünf blasse Gesichter mit Nasen, auf denen Schweißperlen glänzten, hoben sich erwartungsvoll. Eine Tür hatte sich geöffnet und eine strahlend weiße Gestalt stand davor. Schwester Venantia. Ihre Augen verbargen sich hinter den blinkenden Gläsern einer goldgefaßten Brille.
    »Herr Fröhlich?«
    Werner drehte sich um.
    »Was ist?« fragte er abgewürgt.
    »Ihre Frau hat soeben ein Töchterchen zur Welt gebracht. Beiden geht es gut. Ihre kleine Tochter wiegt fünf Pfund und dreihundert Gramm und mißt dreiundfünfzig Zentimenter!«
    »Und ich Schwester?« stöhnte einer der jungen Männer auf, es war der Trommler am Fenster. »Und ich? Der junge Mann kommt hier hereingestürzt und kriegt schon eine Tochter! Und ich warte seit gestern früh.«
    »Auch Sie kommen an die Reihe«, sagte Schwester Venantia tröstend.
    Sie reichte Werner die Hand, um ihn zu beglückwünschen: »Sie dürfen Ihre Frau für eine Minute besuchen, Herr Fröhlich - und Ihr Töchterchen dürfen Sie natürlich auch sehen. Haben Sie Ihrer Frau ein paar Blümchen mitgebracht?«
    »Daran habe ich nicht gedacht«, stammelte Werner.
    »Nun, dann laufen Sie rasch hinunter. Der Klinik gegenüber liegt ein Blumengeschäft. Und dann kommen Sie wieder. Zimmer 117. Aber wirklich nur für eine Minute. Ihre Frau ist sehr müde und erschöpft.«
    Werner klopfte seine Taschen ab und machte ein bestürztes Gesicht: »Jetzt habe ich doch wahrhaftig...«
    Sein Vater nahm ihn beim Arm: »Komm, Werner, gehen wir zusammen die Blumen holen. Ich habe nämlich auch nicht daran gedacht. Und du, Charlotte?«
    »Ich schaue derweil mein Enkelkind an. Ein kleines Mädchen. Lieber Gott, immer habe ich mir noch ein kleines Mädchen gewünscht! Habt ihr schon einen Namen für euer Kaninchen?«
    »Wenn es ein Mädchen wird, wollen wir es Gaby nennen, Gabriele«, sagte Werner und atmete tief auf.
    »Gabriele Fröhlich«, sagte Frau Charlotte und lauschte dem Klang ihrer Stimme nach, »das hört sich sehr hübsch an.«
    Unten riß Wollke den Wagen auf, als er seinen Chef kommen sah, aber Dr. Fröhlich winkte ab.
    »Es ist ein Mädchen, Wollke!«
    »Trotzdem meinen herzlichsten Glückwunsch!« sagte Wollke, den der Wunsch nach einem Sohn zum Vater von vier Töchtern gemacht hatte. »Dann eben das nächstemal, Herr Fröhlich!«
    »Nie wieder, Wollke!« wehrte Werner ab. »Was man dabei aussteht...«
    »Das habe ich mir auch jedesmal geschworen«, seufzte Wollke.
    In dem Blumengeschäft der Klinik gegenüber nahm Werner ein Dutzend rote Nelken, während sein Vater sich ein Dutzend lachsfarbener Rosen einschlagen ließ, von deren Kauf er fast zurückgetreten wäre, als er erfuhr, daß die Sorte >Lieschen Drescher< hieß.
    »Lieber Gott«, murmelte er, »Lieschen Drescher.«
    »Nun ja«, tröstete ihn Werner, »>Glorie de Dijon< klingt auch nur gut, weil es französisch ist. Wenn es >Ruhm von Schweinfurt< hieße, würdest du auch zusammenzucken.«
    Sie gingen, jeder mit seinem Blumenstrauß in der Hand, zur Klinik zurück, Dr. Fröhlich, der die Blicke bemerkt hatte, mit denen das Fräulein im Blumengeschäft Werner musterte, warf einen Blick auf Werners Anzug.
    »Direkt feierlich siehst du ja nicht aus, um deiner Tochter zum erstenmal gegenüberzutreten. Wollke könnte dich rasch heimfahren.«
    »Laß nur, Vater«, grinste Werner, »wenn ich ihr erzähle, daß ich heute für sie vierzig Zentner Blei geklaut habe, wird sie sich mit dem Loch in der Hose versöhnen.«
    »Seid ihr endlich mit eurer Arbeit fertig?«
    »Ja, vor zwei Stunden.«
    »Gott sei Dank! Irgendwie hat mir die Geschichte doch unruhige Nächte bereitet.«
    »Ehrlich gestanden, mir auch, seit du mich an meine vier Semester Jura erinnert hast. Am liebsten möchte ich auf meinen Anteil zu Holldorfs Gunsten verzichten.«
    »Darüber können wir später noch einmal sprechen. Im Augenblick möchte ich dir eines zu bedenken geben. Wenn du schon unabhängig sein und dir dein Geld selber verdienen willst, warum solltest du dann eigentlich nicht für unsere Firma arbeiten?«
    »Ohne Protektion?« fragte Werner mißtrauisch.
    »Ganz ohne Protektion. Es gibt auch bei uns Aufgaben genug für tüchtige Leute, Aufgaben, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher