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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8
Autoren: Horst Biernath
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womöglich noch essen. Wo Mathilde drüben fast nur aus Büchsen kocht und jedesmal schreibt, wie sie sich nach einem ordentlichen Schweinebraten mit Semmelknödeln und Endiviensalat sehnt. Nein, Frau Holldorf, natürlich schläft Mathilde mit ihrem Mann bei mir. Ich richte den beiden mein großes Zimmer als Schlafzimmer ein und lege mich selber in der Kammer aufs Sofa. Und so klein ist die Küche nicht, daß wir nicht zu dritt darin essen könnten.«
    »Aber Sie haben doch nur ein Bett.«
    »Und auch noch das von meinem seligen Mann, das auf dem Speicher steht. Wenn Sie mir ein wenig helfen würden, das Bett vom Speicher zu holen, und das Zimmer einzurichten...«
    »Selbstverständlich, Frau Düsenengel, daß ich Ihnen dabei helfe.« Auf der Nähmaschine unter dem Fenster lag ein Stück unter der Nadel, und der Stapel der fertigen Schürzen war noch klein gegen den anderen, der sich rechts neben der Maschine griffbereit auf einem Küchenstuhl bis über die Lehne hinaus auftürmte. »Also da haben Sie Ihren Brief, und kommen Sie zu mir, wenn Sie mich brauchen.«
    Die alte Frau schusselte, den Brief wie eine Fahne schwenkend, zur Tür hinaus. Zehn Minuten später war sie schon unterwegs und traf Fräulein von Krappf, die bei der >Hausordnung< an der Reihe war und die Treppe fegte, als erstes Opfer an, um sich den Brief zum zweitenmal vorlesen zu lassen. Der Oberst, der mit einem hinkenden, ein schweres Leiden vortäuschenden Waldmann vom Vormittagsspaziergang heimkam, unterbrach die Lesung brüsk, indem er die Tür aufsperrte, die Taschenuhr zog und seiner Schwester über das Zifferblatt hinweg einen scharfen Blick zuwarf. »Zehn vor zwölf, Elfriede.«
    »Das Essen steht um Punkt zwölf auf dem Tisch, Aurel.«
    Der Oberst schnupperte in den Korridor hinein und rümpfte angewidert die Nase: »Ein Gestank wie in der Wachstube eines Fußartillerieregiments.«
    Der Dackel schnupperte auch und hinkte an dem Oberst vorbei in die Wohnung, nachdem er seinem Herrn einen vorwurfsvollen Blick zugeworfen hatte.
    »Es gibt Krautrouladen, Reichen, die du so gern ißt.«
    »Reichen«, schnaubte der Oberst, »seit sechzig Jahren versuche ich dir beizubringen, daß ich Aurel heiße!«
    »Schon gut, Reichen. Übrigens kommt Mathilde Düsenengel mit ihrem Sergeanten, auf den du dich doch noch besinnen wirst, zu Frau Düsenengel auf Besuch. Die alte Frau ist ganz aus dem Häuschen. Seit acht Jahren hat sie ihre Tochter nicht mehr gesehen.«
    »Sergeant! Pffffff! Bei mir hätte es keiner von diesen Burschen mit ihren dicken Hintern auch nur bis zum Oberschützen gebracht! In Sonne und Mond hätten wir sie gehauen, wenn da hinten nicht...« Er schleuderte den Daumen hinter sich über die Schulter in eine Richtung, von der man annehmen konnte, daß es Osten sein sollte. »Na ja. Aus! Vorbei!«

    Herr Holldorf schleppte, als es soweit war, das Bett des seligen Düsenengel vom Speicher herab und schlug es neben dem Bett der alten Frau im größeren Zimmer auf. Sie hielt ihre Wohnung in Ordnung, das mußte man sagen. Kein Stäubchen lag auf dem Fußboden oder auf den Möbeln, nur muffelte es ein wenig darin, wie es halt bei alten Leuten manchmal der Fall ist. Die beiden großen Betten, für eine andere Wohnung als die kleine Mansarde berechnet, nahmen fast den ganzen Raum ein, gerade, daß man einen Nachtkasten noch hineinklemmen konnte. Völlig unklar blieb, wie die alte Frau Düsenengel auf dem Sofa in der Kammer schlafen wollte. Es war ein hübsches Biedermeiersofa, sehr schmal und mit einer polierten Leiste zwischen den beiden Polstersitzen. Holldorf probierte es aus, aber er meinte, man breche sich darauf das Kreuz. Frau Düsenengel aber stopfte ein Kissen in die Mitte und behauptete nach einer Probenacht, ausgezeichnet geschlafen zu haben. Daß sie morgens gegen drei in ihr eigenes Bett gekrochen war, verschwieg sie. Entweder gewöhnte sie sich an das Lager, oder schließlich stand ja in der Kammer auch noch ein alter, bequemer Ohrenbackensessel, des seligen Düsenengels Lieblingsstuhl, auf dem sie weiternicken konnte, wenn der Rücken allzusehr schmerzte.
    Es waren aufregende Tage für die alte Frau, die sie in Erwartung des Telegramms aus Rotterdam verbrachte. Aber endlich war es soweit, daß die Macphersons ihre Ankunft meldeten. Der Zug lief fahrplanmäßig am Donnerstag früh um fünf auf dem Hauptbahnhof ein. Es war keine Rede davon, daß die Amerikaner vom Bahnhof abgeholt zu werden wünschten, für die alte Frau aber war es eine
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