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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8
Autoren: Horst Biernath
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Besuch erwartet.«
    »Habe davon gehört. Kümmre mich aber nicht darum. Möchte im Augenblick wissen, was der Lärm bedeuten soll.«
    »Sie hatte sich unsern Wecker ausgeborgt, weil sie um halb vier aufstehen und zur Bahn gehen wollte. Der Wecker ist gegangen, wir haben ihn bis in unser Schlafzimmer hinein gehört, aber die alte Frau ist nicht wach geworden. Da muß etwas geschehen sein.«
    »Moment mal.« Herr von Krappf zog den Türschlüssel ab, verwahrte ihn in der Tasche des Schlafrocks und kam die Treppe empor, erstaunlich leichtfüßig für sein Alter.
    »Wir haben an ihrer Schlafzimmerwand geklopft und geläutet«, erklärte Herr Holldorf ihm, »aber es rührt sich nichts. Und - der Schlüssel steckt in der Wohnungstür von innen.«
    Herr von Krappf beugte sich herab und inspizierte das Schlüsselloch. »Stimmt«, stellte er fest, »steckt tatsächlich von innen. Schlage vor, noch einmal Sturm zu läuten.«
    Und Herr Holldorf läutete Sturm, aber ebenso vergeblich, wie er bisher geklingelt und geklopft hatte.
    »Man müßte die Tür aufbrechen, Herr Oberst.«
    »Besitze einen Dietrich. Müssen inzwischen versuchen, Schlüssel aus Schloß zu stoßen, verstanden? Am besten Feile nehmen. Bin gleich wieder da.«
    »Meinen Sie nicht, daß man die Polizei...«
    »Unsinn! Ist ein Fall, der rasches Handeln erfordert. Verantwortung übernehme ich!«
    »Jawoll, Herr Oberst«, sagte Herr Holldorf stramm und erleichtert, »ich wüßte auch nicht, an wen man sich in so einem Fall zu wenden hätte. Unfallstation oder Polizei.«
    »Bin überfragt. Können auf jeden Fall Ihre Frau inzwischen zu Dr. Hallmann schicken. Nehme an, daß Ärzte über Formalkram Bescheid wissen.«
    Er eilte die Treppe hinab, um den Dietrich zu holen. Nie im Leben wäre Herr Holldorf auf den Gedanken gekommen, daß ein Oberst im Besitz solch eines Diebsinstrumentes sein könne. Seine Frau, der kein Wort von der Unterhaltung entgangen war, begann sich in fliegender Hast anzukleiden, um zu Dr. Hallmann hinüberzulaufen. Der Arzt wohnte gerade um die Ecke. Sie begegnete dem Oberst auf der Treppe, er hielt den Dietrich in der Hand. Herrn Holldorf war es inzwischen gelungen, mit Hilfe der empfohlenen Feile, die das glatte Metall faßte, den Schlüssel zu drehen und aus dem Schloß zu stoßen. Er hing an einem Bund und fiel innen klirrend zu Boden. Und dann sah Holldorf interessiert zu, wie Herr von Krappf behutsam und geschickt den Winkelhaken ins Schloß führte, zart zu drehen begann, den Widerstand zu fassen bekam, einmal und noch einmal, denn Frau Düsenengel hatte den Schlüssel zweimal herumgedreht. Fast hätte Herr Holldorf >Respekt vorm Dampfschiff!< gesagt. Aber er unterdrückte das Lob und hatte außerdem genug damit zu tun, das immer wieder ausgehende Ganglicht einzuschalten.
    »Fehlt nur noch, daß die Alte ‘ne Sperrkette vorgelegt hat«, knurrte Herr von Krappf.
    »Hat sie nicht, soviel mir bekannt ist.«
    »Dann also!« Der Oberst drückte auch noch das Schnappschloß auf, und die Tür schwang lautlos nach innen. Die Treppenbeleuchtung ging wieder aus. Die beiden Männer standen in völliger Dunkelheit in dem kleinen Korridor und sahen, daß ein Lichtstrahl, dünn wie eine Messerklinge, durchs Schlüsselloch in der Kammer in den Vorraum stach.
    »Sie brennt Licht«, flüsterte Holldorf und tastete nach dem Schalter. Die kleine Ampel über ihren Köpfen flammte auf. Der Oberst zögerte eine Sekunde, dann ging er einen Schritt und öffnete die Tür. Er räusperte sich kurz und scharf. Hinter ihm stand Holldorf und spähte über seine Schulter.
    »Hinüber«, sagte Herr von Krappf und versenkte den Dietrich in der Tasche seines Morgenmantels.
    Das Bett war unberührt. Die alte Frau Düsenengel saß in dem Ohrenbackenstuhl, Kopf und Schultern waren auf den Tisch gesunken. Die Brille lag mit einem zersplitterten Glas am Boden. Der Tod hatte sie beim Lesen des letzten Briefes ihrer Tochter überrascht. Daneben lag das Telegramm.
    Wahrscheinlich war sie schon in den frühen Abendstunden gestorben. Auf dem Tisch tickte Holldorfs Wecker unerträglich laut, denn um ganz sicherzugehen, daß sie ihn nicht überhören würde, hatte Frau Düsenengel ihn auf den Boden eines Suppentellers gestellt. Holldorf machte eine Bewegung, als wolle er zu ihr hin, um sie aufzurichten, aber eine Handbewegung des Obersten hielt ihn zurück.
    »Lassen Sie! Hier kommt Hilfe zu spät. Sache des Arztes, zu bestimmen, was geschehen soll. Muß ja jeden Moment
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