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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche
Autoren: Diana Gabaldon
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fiel es mir wieder ein.
    »So lange noch hundert von uns am Leben sind …« , zitierte ich.
    Jamie legte den Kopf kurz an den meinen, hob ihn und wandte sich mir zu, um mich anzusehen.
    »Und wenn du zum Bett eines Kranken gehst, Sassenach – zu einem Verletzten oder einer Geburt -, wie kommt es, dass du selbst dann aus dem Bett aufstehst, wenn du zu Tode erschöpft bist, und dich allein im Dunklen auf den Weg machst? Warum wartest du nie, warum sagst du niemals nein? Warum lässt du es nie sein, auch wenn du weißt, dass ein Fall hoffnungslos ist?«
    »Ich kann es nicht.« Ich hielt den Blick auf die Ruine des Hauses gerichtet, dessen Asche vor meinen Augen erkaltete. Ich wusste, was er meinte, die unangenehme Wahrheit, die er von mir hören wollte – doch zwischen uns konnte es nur die Wahrheit geben, und sie musste ausgesprochen werden. »Ich kann nicht… kann mir nicht … eingestehen …, dass es eine andere Möglichkeit gibt, als zu gewinnen.«
    Er nahm mein Kinn in die Hand und hob mein Gesicht, so dass ich ihn ansehen musste. Sein Gesicht war mitgenommen von der Müdigkeit, die Falten um Augen und Mund tief eingegraben, doch die Augen selbst waren klar, kühl und unauslotbar wie das Wasser einer verborgenen Quelle.
    »Ich auch nicht«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    »Immerhin kannst du mir den Sieg versprechen«, sagte er, doch es lag der Hauch einer Frage in seiner Stimme.
    »Ja«, sagte ich und berührte sein Gesicht. Meine Stimme klang erstickt, und es verschwamm mir vor den Augen. »Ja, das kann ich dir versprechen. Diesmal.« Keine Erwähnung dessen, was dieses Versprechen nicht enthielt, dessen, was ich nicht garantieren konnte. Weder Überleben noch Sicherheit. Weder Heim noch Familie; weder Gesetz noch Erbe. Nur das eine – oder vielleicht noch etwas.
    »Den Sieg«, sagte ich. »Und dass ich bei dir bleibe bis ans Ende.«
    Er schloss einen Moment die Augen. Schneeflocken rieselten auf ihn hinunter und schmolzen, sobald sie in seinem Gesicht landeten, blieben eine Sekunde weiß an seinen Wimpern kleben. Dann öffnete er die Augen wieder.
    »Das ist genug«, sagte er leise. »Um mehr bitte ich gar nicht.«
    Dann streckte er die Hände aus, nahm mich in die Arme und hielt mich einen Moment dicht an sich gedrückt, während uns der Hauch von Schnee und Asche kalt umwehte. Dann küsste er mich, ließ mich los, und ich holte
tief Luft, kalt und rau und voller Brandgeruch. Ich strich mir eine Ascheflocke vom Arm.
    »Na schön … gut. Wunderbar. Äh …« Ich zögerte. »Was schlägst du als Nächstes vor?«
    Er stand mit zusammengekniffenen Augen da und betrachtete die verkohlten Ruinen, dann zog er die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken.
    »Ich glaube«, sagte er langsam, »wir fahren nach -« Plötzlich hielt er inne und runzelte die Stirn. »Was in Gottes Namen…?«
    An der Seite des Hauses bewegte sich etwas. Ich blinzelte die Schneeflocken beiseite und stellte mich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können.
    »Oh, das ist doch nicht möglich! «, sagte ich, doch es war so. Unter großem Gewühl im Schnee und Schmutz und im verkohlten Holz schob sich die weiße Sau ans Tageslicht. Als sie ganz im Freien stand, schüttelte sie ihre massigen Schultern, zuckte gereizt mit ihrer rosa Schnauze und marschierte zielsicher auf den Wald zu. In der nächsten Minute kam auf dieselbe Weise eine kleinere Version hervor – und noch eine und noch eine … und acht halb ausgewachsene Ferkel, teils weiß, teils gefleckt und eines so schwarz wie die Balken des Hauses, trotteten im Gänsemarsch davon und folgten ihrer Mutter.
    »Schottland lebt«, sagte ich noch einmal und kicherte hemmungslos. »Äh – wohin, sagtest du, fahren wir?«
    »Nach Schottland«, sagte er, als läge das auf der Hand. »Um meine Druckerpresse zu holen.«
    Sein Blick war immer noch auf das Haus gerichtet, doch seine Augen hefteten sich auf etwas jenseits der Asche, weit jenseits dieser Stunde. Tief im Wald rief eine Eule, aufgeschreckt aus ihrem Schlaf. Eine Weile blieb er noch wortlos stehen, dann schüttelte er seine Erinnerung ab und lächelte mich an. In seinen Haaren schmolz der Schnee.
    »Und dann«, sagte er einfach, »kommen wir zurück und kämpfen.«
    Er nahm meine Hand, kehrte dem Haus den Rücken und wandte sich der Scheune zu, wo die Pferde geduldig in der Kälte warteten.
    ENDE

EPILOG I: Lallybroch
    Der Strahl der kleinen Taschenlampe wanderte langsam über den schweren Eichenbalken, hielt bei einem
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