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Ein gutes Omen

Ein gutes Omen

Titel: Ein gutes Omen
Autoren: Neil Terry; Gaiman Pratchett
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Neugeborenen. Der Austausch …«
    »Oh, natürlich,
natürlich«, sagte Schwester Liebreiz. »Alles zu seiner Zeit. Wir dürfen doch
nicht zulassen, daß der Vater überall im Krankenhaus umherwandert, oder? Er
könnte gewisse Dinge sehen und Verdacht schöpfen. Deshalb schlage ich vor, Sie
warten hier und behalten das Baby im Auge, bitte seien Sie so lieb.«
    Die Oberin
rauschte über den frisch gebohnerten Flur. Schwester Maria betrat, den
Korbkinderwagen vor sich her schiebend, den Kreißsaal.
    Mrs. Young war
nicht nur benommen. Sie schlief tief und fest, mit der tiefen Zufriedenheit
einer Frau, die weiß, daß sie die Lauferei endlich einmal anderen Leuten
überlassen kann. Baby A schlummerte neben ihr, gewogen und mit einem kleinen
Namensschild versehen. Schwester Maria hatte die Angewohnheit, sich ständig
nützlich zu machen, und auch diesmal wollte sie sich nicht damit begnügen,
einfach nur zu warten. Sie nahm das Namensschild, kopierte es und stattete den
Knaben in ihrer Obhut mit dem Duplikat aus. Die beiden Kinder sahen sich sehr
ähnlich: Sie waren klein, fleckig und wirkten wie Miniaturausgaben von Winston
Churchill.
    Jetzt
könnte ich eine Tasse Tee vertragen, dachte
Schwester Maria.
    Bei den meisten
Angehörigen des Schwatzhaften Ordens handelte es sich um eher altmodische
Satanisten, so wie ihre Eltern und Großeltern. Sie wuchsen mit dem Satanismus
auf, und eigentlich konnte man sie nicht als sonderlich böse bezeichnen. Es
gibt nur wenige Menschen, die durch und durch böse sind. Allerdings lassen sich
viele von neuen Ideen anstecken: Sie ziehen Schaftstiefel an und erschießen
Leute; sie hüllen sich in weiße Laken und lynchen Leute; oder sie zwängen sich
in hautenge ausgewaschene Jeans und foltern Leute mit elektrischen Gitarren.
Wenn man Menschen eine Philosophie und die dazu passende Kleidung gibt, gewinnt
man mit Sicherheit viele Anhänger. Außerdem: Wenn man als Satanist aufwächst, ist alles halb so schlimm. Der Satanismus
wird dadurch zu einer Art Samstagabendvergnügen. Während der übrigen Zeit führt
man ein ganz normales Leben wie alle anderen. Hinzu kam, daß Schwester Maria
als Krankenschwester arbeitete, und Krankenschwestern sind in erster Linie
Krankenschwestern, ganz gleich, woran sie glauben. Sie neigen dazu, ihre
Armbanduhren andersherum zu tragen, bei Notfällen die Ruhe zu bewahren – und
sich nach einer Tasse Tee zu sehnen. Schwester Maria Redeviel hoffte, daß man
sie möglichst bald ablösen werde. Sie hatte ihre Pflicht erfüllt, und nun
wollte sie eine Tasse Tee trinken.
    Man kann
menschliche Angelegenheiten weitaus besser verstehen, wenn man sich folgender
Erkenntnis stellt: Die größten Triumphe und Tragödien in der Geschichte gehen
nicht etwa auf Menschen zurück, die vollkommen gut oder vollkommen böse sind,
sondern darauf, daß Menschen einfach Menschen sind.
    Jemand klopfte
an die Tür. Schwester Maria öffnete.
    »Ist es schon
passiert?« fragte Mr. Young. »Ich bin der Vater. Der Ehemann. Ich meine,
beides.«
    Die Nonne hatte
damit gerechnet, daß der amerikanische Kulturattaché wie Blake Carrington oder J. R. Ewing aussah. Mr. Young wies nicht
die geringste Ähnlichkeit mit den Amerikanern im Fernsehen auf – ließ man den
onkelhaften Sheriff in besseren Kriminalfilmen unberücksichtigt.* [* Hier sind jene
Filme gemeint, die eine ältere Dame als Detektivin ermitteln lassen und nur
dann eine Verfolgungsjagd zeigen, wenn sie in aller Gemütsruhe stattfindet.] Er stellte
eine Enttäuschung dar. Und von seiner Strickjacke hielt Schwester Maria
ebenfalls nicht viel.
    Schade, dachte die Nonne und versuchte, sich nichts
anmerken zu lassen.
    »O ja«,
antwortete sie. »Herzlichen Glückwunsch. Ihre Frau schläft. Armes Ding.«
    Mr. Young
blickte ihr über die Schulter. »Zwillinge?« brachte er hervor. Er griff nach
seiner Pfeife. Er schob sie wieder in die Tasche. Er holte sie erneut hervor. »Zwillinge? Niemand hat etwas von Zwillingen gesagt.«
    »O nein!«
entfuhr es Schwester Maria. »Dies ist Ihr Sohn. Das andere Baby hat, äh, andere Eltern. Ich kümmere
mich nur um ihn, bis Schwester Liebreiz zurückkehrt.« Sie deutete auf
Widersacher, Zerstörer von Königreichen, Engel der Dunkelheit, Großes
Tier-das-man-Drachen-nennt, Herr dieser Welt, Vater aller Lügen, Satansbrut und
Fürst der Finsternis. »Dieser Junge sieht Ihnen auch viel ähnlicher. Er ist
geradezu Ihr Ebenbild, vom Kopf bis zu den winzig-klitzikleinigen Hufilein –
die er nicht
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