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Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag
Autoren: Anna Gavalda
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tollten herum und stürzten sich auf

     
    Vincent. Sie prügelten sich darum, seine Gitarre tragen zu dürfen, und die Mädchen gaben uns die Hand.
    Meine Armbänder faszinierten sie.
     
    »Sie wollen nach Saintes-Maries-de-la-Mer. Ich hoffe, sie sind wieder weg, bevor die Alte zurückkommt, ich habe ihnen nämlich erlaubt, sich hier niederzulassen.«
    »Man könnte meinen, Kapitän Haddock in Die Juwelen der Sängerin«, kicherte Simon.
     
    Ein alter Zigeuner nahm ihn in die Arme. »Da bist du ja, mein Sohn!«
     
    Er hatte sich ein paar nette Familien gesucht, der gute Vincent. Kein Wunder, dass er unsere verschmähte.
     
    Anschließend war es wie in einem Film von Kusturica, bevor er völlig die Bodenhaftung verlor.
    Die Alten sangen todtraurige Lieder, die einem in die Eingeweide fuhren, die Jungen klatschten in die Hände, und die Frauen tanzten ums Feuer. Die meisten waren dick und schlampig gekleidet, aber wenn sie sich bewegten, wirkte alles an ihnen graziös.
    Die Kinder tollten herum, die alten Frauen sahen fern und wiegten Babys in den Armen. Fast alle hatten Goldzähne und zeigten sie uns bereitwillig, wenn sie lachten.
    Vincent wurde behandelt wie ein Pascha. Er spielte mit geschlossenen Augen, ein bisschen konzentrierter als sonst, um den richtigen Ton zu treffen und die Distanz zu wahren.
    Die alten Männer hatten Fingernägel wie Klauen, und ihre Gitarren waren ganz abgeschabt an der Stelle, wo sie die Töne schlugen.
    Zwuing zwuing, klopf.
     
    Obwohl wir kein Wort verstanden, war der Text nicht schwer zu erraten ...
     
    O, mein Land, wo bist du? O, meine Geliebte, wo bist du?
    O, mein Freund, wo bist du? O mein Sohn, wo bist du?
     
    Und die Fortsetzung dürfte wohl lauten:
     
    Ich habe mein Land verloren, nur Erinnerungen sind
    mir geblieben. Ich habe meine Geliebte verloren, nur Kummer ist mir
    geblieben.
    Ich habe meinen Freund verloren, ich singe für ihn.

     
    Eine Alte brachte uns abgestandenes Bier. Kaum hatten wir die Gläser geleert, war sie schon wieder zur Stelle.
     
    Lolas Augen glänzten, sie hatte zwei Mädchen auf dem Schoß und rieb das Kinn an ihren Haaren. Simon lächelte mir zu.
    Wir hatten seit heute morgen eine gewaltige Strecke zurückgelegt, alle beide ...
     
    Hoppla, da war sie schon wieder, die fröhliche Omi mit ihrem lauwarmen Valstar ...
    Ich fragte Vincent per Zeichensprache, ob er was zum Rauchen dabeihatte, aber seine Antwort lautete, psst, später. Noch so ein Widerspruch ... Bei diesen Leuten, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, die einen kleinen Mozart möglicherweise in diesem Loch verkümmern lassen und es mit unseren Gesetzen der Arbeit und Sesshaftigkeit nicht sehr genau nehmen, raucht man kein Gras.
    Bei der Heiligen Mercedes Benz, das kommt nicht in Frage.
     
    * * *
     
    »Ihr könnt gern in Isaures Bett schlafen, Mädels ...«
    »Und uns das Röcheln anhören, das aus den ehemaligen Kerkern aufsteigt? Nein, danke.«
    »Aber das ist doch alles Quatsch!«
    »Und bei diesem Verrückten, der die Schlüssel hat? Ausgeschlossen. Wir schlafen bei euch!«
    »Okay, okay, reg dich nicht auf, Garance ...«
    »Ich reg mich nicht auf! Ich bin nur halt noch Jungfrau, mein Lieber!«
    So müde ich auch war, hatte ich sie doch zum Lachen gebracht. Darauf war ich stolz.
     
    Die Jungs schliefen bei Don Juan und wir bei Wirbelwind.
     
     
     
    Simon weckte uns am nächsten Morgen, er war im Dorf gewesen, um Croissants zu holen.
    »Bei Pidoule?«, fragte ich gähnend.
    »Bei Pidoune.«
    Heute ließ Vincent das Tor zu. »Aufgrund von Steinschlag geschlossen«, hatte er auf ein Stück Pappe geschrieben.

     
    Er zeigte uns die Kapelle. Nono und er hatten das Klavier aus dem Schloss vor den Altar geschleppt, und die himmlischen Engel auf Erden konnten im Rhythmus swingen. Wir bekamen ein Extra-Konzert geboten.
     
    Es war witzig, an einem Sonntagmorgen hier zu sein, im Licht, das durch die Kirchenfenster fiel, brav und andächtig auf einem Betstuhl zu sitzen und eine neue Version von Klopf Klopf on heaven's door zu hören.
     
    Lola wollte das Schloss von oben bis unten besichtigen. Ich bat Vincent, seine Show für uns noch einmal zu geben. Wir kugelten uns vor Lachen.
    Er zeigte uns alles: den Teil, in dem die Schlossherrin wohnte, ihre Mieder, ihren Nachtstuhl, ihre Biberrattenfallen, ihre Rezepte für Biberrattenpastete, ihre Schnapsflasche und ihr altes Telefonbuch der besseren Gesellschaft, das vom vielen Anfassen ganz speckig war. Dann die Speisekammer, den
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