Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
sie so allgemein wie passend. «Woher kennen Sie meinen Namen?»
    «Ich gestehe, ich habe gelauscht. Die so unermüdlich plaudernde Dame hat ihn einige Male genannt.» Er lächelte, ob verschmitzt oder beschämt, war im diffusen Licht schwer zu entscheiden. «Sie sollten an Ihrem Tee wenigstens nippen, er weckt die Lebensgeister. Machen Sie einen Heimatbesuch? Ich muss mich schon wieder entschuldigen, meine Neugier ist eine Familienkrankheit. Mein Bruder kann es Wissenschaft nennen, er ist Archäologe. Merken Sie es? Ich will Sie beeindrucken.»
    «Troja?»
    «Gut pariert!» Er lachte. «Nur Pergamon. Nicht ganz so mythenschwer, trotzdem gibt es für ihn nichts anderes. Schauen Sie», er lehnte sich leicht an die Brüstung der Reling, «im Osten wird es schon hell. Dieser Himmel verspricht einen sonnigen Tag, und die ersten Möwen sind auch schon unterwegs.»
    Henrietta fühlte sich plötzlich leichter. Troja, Pergamon, Berlin, die Wissenschaft – das alles war wunderbar weit weg, wie auf einem anderen Planeten.
    «Ich nehme an, Ihr Gatte erwartet Sie an den Landungsbrücken», sagte er, es klang ungemein beiläufig. «Sollte er nicht dort sein – wegen unserer immensen Verspätung liegt das nahe –, steht Ihnen meine Droschke zur Verfügung, natürlich auch meine Begleitung.»
    «Mein Mann ist in Antwerpen, er kann erst in einigen Tagen hier sein.» Sie blickte auf die Uferlandschaft, das Reet, die Wiesen, alles gewann im zunehmenden Licht Farbe, wie wenn bei einem Aquarell eine der dünnen Wasserfarbschichten auf die andere folgt. An Bord eines Schiffes war alles anders, in dieser kleinen geschlossenen Welt mit der großen Aussicht war man einander näher. Der junge Mann mit der Familienkrankheit Neugier war ihr ein völlig fremder Mensch, und doch widerstand sie nur schwer dem Wunsch, ihm vom Anlass dieser Reise zu erzählen, von ihrer Angst vor der Bibliothek mit dem leeren Sessel, dem Fehlen der Stimme, dem ganzen leeren Haus. «Ich werde in Nienstedten erwartet», sagte sie nur. «Das ist eine ganze Strecke vor Hamburg, sogar vor Altona. Mit etwas Glück kann ich dort ganz in der Nähe schon von Bord gehen.»
    «Aber das Schiff legt nicht vor Hamburg an. Wollen Sie schwimmen?»
    Sie blickte elbaufwärts, wo gerade die Sonne über den Horizont stieg und das Schiff in wenigen Stunden den Hafen erreichen würde. «Das wird hoffentlich nicht nötig sein. Aber genau weiß man so etwas vorher nie.»
    * * *
    «Es gibt bequemere Orte zum Sterben», sagte Dr. Winkler, ohne den Blick von der Leiche abzuwenden, «aber kaum eine leichtere Art. Hoffen wir, er hat es verdient, unsere schöne Welt schnell und schmerzlos zu verlassen.»
    «Schmerzlos? Wirklich?» Kriminalkommissar Ekhoff fuhr mit den Fingerspitzen unter seinen in der Eile zu eng geschlossenen Kragen. Der Tote lag wie zusammengesackt auf den Stufen des Meßbergbrunnens. Es war noch vor Sonnenaufgang, doch das Licht war schon weich und machte alles diffus. Die Lampe, die Dr. Winklers Gehilfe hielt, ließ die Blutlache erkennen, die sich unter Kopf und Oberkörper des Toten ausgebreitet hatte, und auch deren Ursache.
    «Ziemlich schmerzlos. Nicht nur, wenn man an Vergiften oder Erschlagen denkt, auch Erdrosseln ist höchst unangenehm. Für beide Beteiligten. Das hier», der blutige Finger des Polizeiarztes zeigte auf eine klaffende Schnittwunde an der linken Halsseite seines Untersuchungsobjektes, «das hier ist schnell und sauber gegangen.»
    Es klang gleichmütig, nur wer ihn kannte, hörte den bedauernden Unterton. Der Arzt war ein kleiner dicker Mann, die Kahlheit auf seinem Kopf wurde durch einen mächtigen eisgrauen Schnauzer ausgeglichen, der ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einem freundlichen Walross gab, obwohl er schon seit mehr als zwanzig Jahren im Polizeidienst stand.
    Ekhoff nickte – selbst in diesem Licht erkannte er, wie sauber der Schnitt war, also mit einer äußerst gut geschärften Klinge ausgeführt – und unterdrückte ein Gähnen. Er wiederum war noch nicht lange genug im Polizeidienst, als dass ihm ein solches Gähnen bei der Ankunft am Fundort einer Leiche gleichgültig wäre. Ein Polizist hatte im Dienst hellwach zu sein. Immer.
    Dr. Winkler löste auch jetzt nicht den Blick von dem Toten. Er erkannte die Kripo-Beamten an der Stimme, nur sehr selten irrte er sich dabei.
    «Ekhoff», sagte er, «Sie sind schnell hier, Ihre Wohnung liegt in der Nähe, richtig? Und der verehrte Herr Staatsanwalt? Wo ist der?» Mit einem Ächzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher