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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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richtete sich auf. »Ich laß den Priester kommen, ja?«
    Alik konzentrierte seinen schwimmenden Blick und sagte überraschend ernst:
    »Nina, ich habe absolut nichts gegen deinen Christus. Er gefällt mir sogar, obwohl mit seinem Humor was nicht stimmt. Es ist nur, verstehst du, ich bin selber ein kluger Jude. Aber Taufe, das ist irgendwie albern, das ist Theater. Und Theater kann ich nicht leiden. Ich steh auf Kino. Laß mich in Ruhe, Kätzchen.«
    Nina faltete ihre mageren Hände und schüttelte sie.
    »Red doch wenigstens mal mit ihm. Er kommt her, und ihr redet miteinander.«
    »Wer kommt her?« fragte Alik.
    »Na, der Priester. Er ist sehr, sehr gut. Ach, bitte . . .« Sie strich ihm mit ihrer spitzen Zunge über den Hals, dann das Schlüsselbein hinunter und über die eingefallene, fast am Knochen haftende Brustwarze – eine vertraute einladende Geste. Sie verführte ihn zur Taufe wie zum Liebesspiel.
    Er lächelte schwach.
    »Na, dann mach. Bring deinen Popen her. Unter einer Bedingung: Einen Rabbi holst du auch.«
    Nina erstarrte.
    »Machst du Witze?«
    »Wieso? Wenn du von mir einen so ernsten Schritt verlangst, hab ich das Recht, beide Seiten zu konsultieren.« Er hatte es schon immer verstanden, jede Situation maximal zu genießen.
    Ich hab ihn soweit, ich hab ihn, triumphierte Nina, jetzt wird er getauft.
    Mit Vater Viktor, dem Geistlichen, war schon lange alles abgesprochen. Er war Priester einer kleinen orthodoxen Kirche, ein gebildeter Mann, Nachkomme von Emigranten der ersten sowjetischen Auswanderungswelle, mit einer verworrenen Biographie und einem schlichten Glauben. Er war gesellig, von heiterem Gemüt, besuchte seine Schäfchen gern zu Hause und trank auch ganz gern.
    Woher man einen Rabbi nahm, davon hatte Nina keine Ahnung. Ihr Freundeskreis hatte mit der jüdischen Gemeinde nichts zu tun, und sie mußte sich etwas einfallen lassen, um Alik mit einem Rabbiner zu dienen, wenn das nun mal seine Bedingung war.
    An die zwei Stunden hantierte Nina mit den Kräuterumschlägen, legte wieder Kompressen auf Aliks Füße, rieb ihm die Brust mit einer scharf riechenden Tinktur ein, und gegen drei Uhr nachts entsann sie sich, daß Irina neulich lachend gesagt hatte, unter den ganzen Juden hier sei sie als Russin die einzige, die Gefillte Fisch zubereiten könne, denn sie war eine Zeitlang verheiratet mit einem echten Juden, mit Sabbat, koscheren Speisen und allem Drum und Dran.
    Also wählte Nina langsam ihre Nummer, und Irina erstarrte, als sie mitten in der Nacht Ninas Stimme hörte.
    Es ist vorbei, dachte sie.
    »Ira, hör mal, dein Mann, war der ein religiöser Jude?« hörte sie Nina fragen. Völlig absurd.
    Sie ist betrunken, dachte Irina.
    »Ja.«
    »Kannst du ihn nicht irgendwie auf treiben? Alik will einen Rabbi.«
    Nein, sie ist einfach verrückt geworden, entschied Irina und sagte vorsichtig:
    »Laß uns morgen darüber reden. Jetzt ist es drei Uhr nachts, um diese Zeit kann ich sowieso niemanden anrufen.«
    »Denk dran, es ist sehr dringend«, sagte Nina mit vollkommen klarer Stimme.
    »Ich komme morgen abend vorbei, okay?«
    Irina empfand für Nina aufrichtiges Interesse. Vielleicht war das auch der wahre Grund, warum sie damals, vor anderthalb Jahren, eingewilligt hatte, Alik in seinem Atelier zu besuchen: Um sich das Prachtstück anzusehen, das sich ihn geangelt hatte.
    Für Alik schwärmten die Frauen beinah seit seiner Geburt, vom Krippenalter an war er der Liebling aller Kinderfrauen und Erzieherinnen. Während seiner Schulzeit wurde er von allen Mädchen seiner Klasse zum Geburtstag eingeladen, und alle verliebten sich in ihn, mitsamt ihren Großmüttern und deren Hündchen. In der Pubertät, in der jeden jungen Menschen die heftige Unruhe erfaßt, daß es Zeit sei, mit dem Erwachsenenleben zu beginnen, das aber noch nicht recht gelingt, und sich kluge Jungen und Mädchen in dumme Abenteuer stürzen, in dieser Phase war Alik einfach unersetzlich: Er nahm freundschaftliche Beichten ab, verstand es zu spotten und andere aufzuheitern, und vor allem vermittelte er etwas ganz Einzigartiges, nämlich die Überzeugung, das Leben beginne am nächsten Montag, den gestrigen Tag könne man getrost streichen, besonders wenn er kein besonderer Erfolg war. Später erlag seinem Charme selbst die von allen »Schlangengift« genannte Inspektorin an der Theater – und Kunsthochschule, wo er viermal rausflog, aber dank der Fürsprache der in ihn verliebten Inspektorin dreimal wieder aufgenommen
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