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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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auch, daß es für Aliks teuflische Krankheit keinen Ausweg gab: Der letzte noch arbeitende Muskel, das Zwerchfell, setzte bereits aus, und in den nächsten Tagen würde der Tod durch Ersticken eintreten. Der Frage, die sich in diesem Land üblicherweise stellte – wann die Apparate abgeschaltet werden sollten – , war Alik zuvorgekommen: Er hatte das Krankenhaus kurz vor dem Ende verlassen und damit auf die klägliche Zusatzration künstlichen Lebens verzichtet.
    Fima bedrückte nun der Gedanke, daß wohl oder übel er Alik zu gegebener Zeit ein Beruhigungsmittel spritzen müßte, das die Qual des Erstickens lindern und ihn durch seine Nebenwirkung, die Lähmung des Atemzentrums, töten würde. Aber es war nichts zu machen – Alik per Notruf ins Krankenhaus zu bringen, wie sie es schon zweimal getan hatten, war jetzt kaum noch möglich. Und wieder eine gefälschte Krankenversicherung aufzutreiben, das war nun zu spät und zu gefährlich.
    »Viel Glück«, sagte Fima sanft, griff nach seiner berühmten Tasche und ging, ohne sich zu verabschieden. Hier legte niemand Wert auf solche Kleinigkeiten.
    Ist wohl beleidigt oder was, dachte Marja Ignatjewna.
    Sie verstand nicht viel vom Leben in Amerika. Sie war vor einem Jahr aus Weißrußland gekommen, auf Bitte einer kranken Verwandten, aber als sie die Papiere zusammenhatte und endlich hier eintraf, gab es schon niemanden mehr zu heilen. So war sie umsonst mit ihrer Wunderheilkraft und ihren geschmuggelten Kräutern über den Ozean gekommen. Das heißt, nicht ganz umsonst, denn auch hier fanden sich Anhänger ihrer Kunst, die sie nun ohne Genehmigung und ohne Furcht vor Unannehmlichkeiten praktizierte. Sie wunderte sich nur: Was ist das hier bei euch für eine Ordnung, ich heile doch, hole Menschen sozusagen aus dem Jenseits zurück, wovor soll ich denn Angst haben? Vergeblich, ihr etwas von Lizenzen und Steuern zu erklären. Nina hatte sie in einer kleinen orthodoxen Kirche in Manhattan aufgegabelt und gleich entschieden, daß Gott ihr diese Wunderheilerin für Alik geschickt hatte. In den letzten Jahren, noch bevor Alik krank wurde, war Nina orthodox geworden, womit sie den Mächten der Finsternis einen empfindlichen Schlag versetzte: Ihre Lieblingsbeschäftigung, ihre Tarot-Karten, hielt sie nun für Sünde und schenkte sie Joyka.
    Marja Ignatjewna winkte Nina mit dem Finger heran. Nina rannte in die Küche, goß Orangensaft in ein Glas, dann Wodka und warf eine Handvoll Eiskugeln dazu. Sie trank schon lange auf amerikanische Art: stark verdünnt, süß und unablässig. Sie rührte mit einem Strohhalm um und trank einen Schluck. Auch Marja Ignatjewna rührte um – mit dem Löffel im Tee – und legte den Löffel auf den Tisch.
    »Hör zu, was ich dir sage«, begann sie streng. »Er muß getauft werden. Sonst hilft nichts mehr.«
    »Aber er will nicht, er will nicht, wie oft soll ich dir das noch sagen, Marja Ignatjewna!« jaulte Nina.
    Marja Ignatjewna runzelte die brauenlose Stirn. »Schrei nicht so. Ich muß weg. Mein Papier, das ist schon lange zu Ende.« Sie meinte ihr abgelaufenes Visum, konnte aber kein einziges Fremdwort behalten. »Das Papier ist zu Ende. Ich fahr zurück. Ich hab schon einen Flug gebucht. Wenn du ihn nicht taufen läßt, dann mach ich nicht weiter mit ihm. Aber wenn du ihn taufen läßt, Nina, dann werd ich mit ihm Weiterarbeiten, auch von dort aus, egal wie. Aber so, so geht das nicht.«
    Sie breitete theatralisch die Arme aus.
    »Ich kann nichts tun. Er will nicht. Er lacht nur. Dein Gott, sagt er, soll mich als Parteilosen aufnehmen.« Nina senkte ihren schwachen kleinen Kopf.
    Marja Ignatjewna riß die Augen auf.
    »Was redest du da, Nina? Ihr lebt hier wie hinterm Mond. Was soll der liebe Gott denn mit Parteimitgliedern?«
    Nina winkte ab und leerte ihr Glas. Marja Ignatjewna goß sich noch Tee ein.
    »Um dich tut’s mir leid, Kindchen. Gott hat viele Wohnungen. Ich hab schon viele gute Menschen gesehen, Juden und alle möglichen. Es ist für jeden eine Stätte bereitet. Mein Konstantin, der getötet wurde, der ist getauft, und er wartet auf mich da, wo alle hinkommen. Ich bin natürlich keine Heilige, und wir haben ja auch nur zwei Jahre zusammengelebt, mit einundzwanzig war ich schon Witwe. Ich hatte schon hin und wieder mal was, das will ich nicht leugnen, ich bin sündig. Aber einen anderen Mann, den hab ich nie gehabt. Und er wartet dort auf mich. Verstehst du, worum ich mich sorge? Ihr werdet sonst getrennt sein, dort. Tauf ihn
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