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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde
Autoren: T.C. Boyle
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einen Graben von der Größe des Grand Canyon und wieder raus – erkenne ich die Lichter eines Restaurants, El Frijole Grande. »Wie wär’s mit was zu essen?« schlage ich vor.
    Der Parkplatz ist voller Löcher und tiefer Spurrillen, und der Wind hat alles mögliche Zeug angeweht: Gestrüpp, Müll, die Reste eines Zauns, den vertrockneten Kadaver einer Katze (Felis catus). Etwas wacklig steige ich aus dem Wagen – die Hüften! das Knie! – und falle der Hitze in die Arme. Sie wirft einen um, wahrhaftig. Die ganze Welt ist ein Pizzaofen, ein Pizzaofen, der soeben explodiert ist, und die Hitzewelle dehnt sich endlos aus, kleine Staubkörnchen arbeiten sich in meine Nase und meine Kehle hinein, sobald ich nur die Tür geöffnet habe – begleitet vom bedrohlichen Prasseln des Sandes, der an meinen kratzfesten Brillengläsern abprallt. Ich versuche nur zu überleben, bis ich es in das Restaurant geschafft habe, denke an nichts anderes, aber da sehe ich hinter mir im Innenraum des Wagens Andreas Gesicht, sie schreit irgend etwas, es scheint wichtig zu sein, und plötzlich wirble ich mit den oxydierten Reflexen der Jungalten herum, gerade noch rechtzeitig, um Petunia an der Leine zu erwischen, als sie zur Tür hinausflitzen will.
    Schlaksig, stinkend, das Fell so verfilzt, daß es sich anfühlt wie Draht, der mit einer dünnen Betonschicht überzogen ist, schießt sie aus dem Wagen und hängt einen Augenblick lang in der Luft, bis ihre Leine wie eine Peitsche anruckt und mir fast die gepeinigte Schulter aus dem Gelenk kugelt. Aber ich halte fest, ungeachtet der Hitze, meines Alters, der Not einer vollen Blase und einer vergrößerten Prostata. Dies ist der einzige Patagonische Fuchs in Nordamerika, und ich habe nicht vor, ihn loszulassen. Petunia weiß das noch nicht recht zu würdigen und geht schnurstracks auf meine Beine los, dabei gibt sie Geräusche von sich wie eine schlecht gesampelte Platte und versucht den Maulkorb durchzubeißen, während ihre vier Beine, sechzehn Krallen und vier Afterklauen auf dem ramponierten Asphalt verzweifelt kratzend nach Halt suchen.
    Ich liege auf dem Boden, schweißgeboren, und Petunia hockt auf mir drauf und will gerade mit den Vorderpfoten ein Loch in meinen Brustkasten scharren, als Andrea mir zu Hilfe kommt. »Weg da, Mädchen«, sagt sie und reißt an der Leine, die ich immer noch nicht freigeben will, und ich kann nur daran denken, Schuld zuzuweisen, wo sie zugewiesen gehört. Es war von Anfang an ihre Idee. Sie war dagegen gewesen, einen Käfig mitzunehmen – »Sei nicht verrückt, Ty, dafür haben wir keinen Platz« –, und hatte argumentiert, Petunia sei ohnehin weitgehend hundeähnlich. »Füchse gehören doch zur selben Spezies, oder?« »Gattung«, korrigierte ich, »oder vielmehr Unterfamilie. Trotzdem machen sie eine Menge Dreck auf dem Teppich.«
    Immerhin sind die Verletzungen nicht ernst. Der Rücken meines Hemdes ist eine Collage aus Unrat und Sandkörnern, vorn fehlen zwei Knöpfe, aber die Haut hat mir Petunia nur an drei oder vier Stellen geritzt, ehe wir sie überwältigen konnten. Trotz des Windes und der Hitze schaffen wir es, sie mit zusammengebundenen Hinterläufen über den Platz humpeln zu lassen, bis sie sich irgendwo hinkauert und ein ärmliches Häufchen absetzt, unter dem Vorderreifen eines Schulbusses mit dem Banner Calpurnia Springs, Staatsmeister der B-Liga (Worin wohl, frage ich mich,im Überleben in der Wüste?). Nach kurzer Debatte darüber, was wir mit ihr anfangen sollen – bei der Hitze können wir sie schlecht im Olfputt lassen –, beschließe ich, sie an die Stoßstange zu ketten und das Beste zu hoffen. Dann sind wir drin, wo es kühl ist und die Hits der Sechziger – für Streicher arrangiert – aus verborgenen Lautsprechern säuseln, während Menschen aller Größen, Hautfarben und Körperformen in wildem Getümmel und Gebrabbel durcheinanderschieben.
    Der Laden ist eher eine Arena als ein Restaurant, überall Köpfe, Stimmengewirr, das Summen und Tröten von Videospielen. Das Motto hier heißt Mexiko – ein klägliches Papageienpärchen und ein halbes Dutzend schlaffe Bananenstauden in gigantischen Töpfen –, der Geruch aber ist eindeutig Fritierfett, hier wird alles fritiert. Ich blute vorn durch mein Hemd. Die Hose klebt mir im Schritt fest vor lauter Schweiß. »Ich wette, die haben keine Bar hier«, sage ich.
    Andrea antwortet nicht. Sie steht, Augen wie Messer, wie aus dem Boden entsprungen stocksteif vor dem Schild
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