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Ein Elefant im Mückenland

Titel: Ein Elefant im Mückenland
Autoren: Arto Paasilinna
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zünftig Hochzeit gefeiert, und auch da nur flüchtige zwei Tage. Aber jetzt würde Igor nach Hause kommen mit einer heiratswilligen Schönheit, noch dazu einer Ausländerin, einer Finnin! Wenn das kein Grund war, ein riesiges Fest auf die Beine zu stellen!
    Igor legte den Tourneeplan so, dass sie gegen Ende August nach Krasnojarsk gehen konnten. Elefantenda-me Emilia war langsam müde von all den Auftritten des Sommers, das tägliche Tanzen hatte an ihren Kräften gezehrt. Igor erklärte, dass der Besuch in seinem Hei-matdorf sowohl den Einheimischen als auch Lucia und Emilia großartig gefallen werde. Ein unvergessliches Fest stehe ihnen bevor, eine Art Abschluss des heißen Sommers. Lucia brauche nicht unbedingt seine Frau zu werden, notfalls genüge es, wenn sie an der Hochzeit teilnehme und es sich dann später genauer überlege. Lucia fand, dass eine solche provisorische Hochzeit keine gute Lösung war. Sie wollte nicht aus Spaß heira-ten, war aber bereit, nach Hermantowsk zu reisen. Auch sie war sehr müde von den zahllosen Auftritten, und sie hatte seit Jahren nicht mehr richtig Urlaub gemacht. So kamen beide überein, vorläufig auf die Trauung zu verzichten und einfach nur Igors alte Mutter und die anderen Dorfbewohner zu besuchen.
    Hermantowsk war als Ort so unbedeutend, dass nicht mal eine Bahnlinie hinführte. Von der sibirischen Ei-senbahn zweigte in Aschinsk eine Stichbahn ins gut dreihundert Kilometer entfernte Lesosibirsk ab, eine recht bedeutende lokale Metropole am Ufer des großen Jenissei, der ins Eismeer mündete. Von dort waren noch zweihundert Kilometer auf der Landstraße in nördliche Richtung zurückzulegen, ehe man Hermantowsk er-reichte. Igor organisierte für den Transport in sein Hei-matdorf einen Tieflader, der einst als Versorgungsfahr-zeug für die Ölfelder gedient hatte. Emilia reiste auf der Ladefläche, dort war auch ihr Futter untergebracht. In der Kabine beim Fahrer saßen Lucia und Igor nebst Reisegepäck. In Hermantowsk würde Emilia dann richtig schlemmen können, denn die Dorfbewohner hatten jede Menge Heu gemäht und Hunderte Kilo Äpfel und Pilze gesammelt, um den Elefanten zu verwöhnen.
    Es herrschte spätsommerliche Hitze, und in der Luft hing starker Rauchgeruch. Die Bewohner dieses Land-striches hatten den ganzen Sommer hindurch unzählige Waldbrände gesehen und gerochen. Manchmal hätte man meinen können, ganz Sibirien stünde in Flammen. Presse und Rundfunk hatten gemahnt, im Freien vor-sichtig mit Feuer umzugehen, ja in den Wäldern über-haupt keine Lagerfeuer zu entzünden. Aber welcher russische Mann kümmerte sich schon um solche allge-meinen Hinweise. Wer in die Taiga ging, führte in sei-nem Rucksack Wodka und natürlich auch Streichhölzer mit sich, und beides zusammen wirkte sich verheerend aus und führte immer wieder zu Waldbränden. Die Presse behauptete allerdings, dass die meisten Brände durch herabstürzenden Weltraumschrott entstanden seien, der beim Eintritt in die Atmosphäre und beim Auftreffen auf den Boden verglühte und die staubtro-ckenen Wälder entzündete.
    Der Fahrer des Tiefladers sah den Grund für die Brände bei den Ölfeldern und dem dort üblichen nach-lässigen Umgang mit Feuer. Auch er selbst hatte mehr-fach für Brände am Straßenrand gesorgt, wenn nämlich aus dem Auspuff des schweren Fahrzeugs Funken geflogen waren.
    »Aber was willst du machen, du musst fahren, denn die Welt braucht Öl.«
    Schön sah es trotzdem aus: Die beginnende Herbst-färbung überzog die endlosen bewaldeten Hügel Zentral-sibiriens mit einem glühenden Rot, das sich mit dem bläulichen Dunst der brennenden Wälder vermischte. Der Anblick war überwältigend, es war, als wollte die welkende Natur mit letzter Kraft erzählen, wie faszinie-rend es war, gerade jetzt zu sterben, da der Sommer zu Ende ging und der schreckliche sibirische Winter nahte.
    Die Ankunft in Hermantowsk glich einem großen Fest. Der schwere Tieflader fuhr durch das alte und verfalle-ne, zu sozialistischen Taten anspornende Eingangstor, das gerade mal breit genug war. Das Tor trug noch den verblassten roten Stern und daneben, ebenso verblasst, Hammer und Sichel. Die in kyrillischen Buchstaben verfasste alte Losung war auf den heutigen Stand ge-bracht worden. Die frühere Lobpreisung Stalins lautete in ihrer neuen Form: Die Stoßtrupps der Arbeiter und Bauern begrüßen die Finnin Lucia und den Elefanten Emilia!
    Lucia wurde im einzigen Gasthof des Dorfes unterge-bracht, der
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