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Ein Elefant im Mückenland

Titel: Ein Elefant im Mückenland
Autoren: Arto Paasilinna
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prächtig geschmückt war. Igor quartierte sich bei seiner Mutter ein, denn es schickte sich nicht, dass Bräutigam und Braut vor der Hochzeit im selben Haus wohnten.
    Bei Lucia erschienen Dutzende hilfreicher Brautjung-fern, die ihr bei den praktischen Vorbereitungen auf das große Fest zur Seite stehen wollten. Sie waren recht betagt, denn junge Frauen gab es kaum im Dorf, wie bereits berichtet, aber was tat's. Zumindest verfügten alle über sachdienliche Erfahrungen im Heiraten.
    Als Stall für Emilia diente das Kulturhaus des Dorfes. Es stand seit Jahren leer, der revolutionäre politische Eifer war erlahmt, und so war das Gebäude verfallen. Als Elefantenquartier eignete sich der große Festsaal jedoch allemal.
    Lucias Auftrittskostüm wurde zum Brautkleid umge-arbeitet: Die Frauen nähten blaue Blumenapplikationen auf das weiße Trikot, vom selben Farbton war die lange Schleppe aus Tüll, der noch aus den Zeiten von Igors Großmutter stammte. Der Schleier war weiß, ebenso die bis an die Ellenbogen reichenden Handschuhe. Lucia sah großartig aus, und als sie dann noch im Stil der Russinnen kräftig geschminkt war, war das Endergebnis mindestens eindrucksvoll zu nennen.
    Für Emilia nähten die Frauen einen riesigen Mantel. Es war ein ehemaliges Mannschaftszelt der Roten Ar-mee, das mit blauen Zierbändern für neue, friedliche Zwecke und zum Festgewand umgestaltet wurde. Emilia wunderte sich ein wenig über ihr neues Auftrittskostüm, aber als es von allen Seiten gelobt wurde, begriff sie, dass sie darin prächtig aussah und akzeptierte es. Igor hatte bereits vor vielen Monaten beschlossen, auf seiner Hochzeit die Uniform eines Kosakenoffiziers zu tragen, obwohl er weder Kosak noch Offizier war. Daran nahm jedoch niemand Anstoß, denn der Bräutigam war wahr-haftig eine stolze Erscheinung.
    Indessen wurde in den Häusern gebacken und Bier gebraut, es wurde gebrutzelt und gebraten. Der zentrale Platz des Dorfes wurde festlich geschmückt, lange Ti-sche wurden aufgestellt. Man erwartete tausend, wenn nicht sogar zweitausend Gäste. Die Frauen nähten in aller Eile sogar noch ein halbes Dutzend finnischer Fahnen.
    Igor besorgte ganz nebenbei die Ehepapiere, und am Vorabend der Hochzeit fand die Unterzeichnung statt. Der zweite Sekretär des politischen Komitees der Nach-barstadt übernahm den offiziellen Part. Als Lucia merk-te, wie viel Eifer, Energie und Zeit das ganze Dorf in die Hochzeit investiert hatte, brachte sie es nicht übers Herz, den Leuten zu sagen, dass sie nicht wirklich zuge-stimmt hatte.
    »Also gut, aber ich unterschreibe kein offizielles Pa-pier, und selbst wenn ich es tue, dann nicht in vollem Ernst.« Darauf einigte man sich schließlich. Auch der Dorfgeistliche sagte, dass es sich um eine bloße Formali-tät handle und dass kein Grund zur Sorge bestehe, denn in der himmlischen Kanzlei von Gott dem Allmäch-tigen hatten die Papiere einer Zivilverwaltung ohnehin nicht viel Gewicht. Endlich brach der Hochzeitstag an.
    Die Gäste kamen in Scharen von nah und fern, bis zum Mittag hatten sich bereits tausendfünfhundert versammelt, und am Nachmittag trafen weitere ein, sodass sich zu den besten Zeiten auf dem Festplatz am Fuße eines Hügels mehr als zweitausend Menschen befanden. Die Luft flimmerte vor Hitze, die Schwalben flogen hoch am blauen Himmel. In Hermantowsk gab es endlich wieder ein großes Fest.
    Die alte Kirche des Dorfes war nach der Revolution zum Getreidelager der Armee umfunktioniert worden. Während des Zweiten Weltkriegs hatte sie arg gelitten und war jetzt nur mehr eine verfallene Ruine. Aber die freieren Winde, die in den letzten Jahre durchs Land geweht waren, hatten auch diese entlegene Gegend gestreift, und so hatten die Bewohner eine neue kleine Kirche aus Balken errichtet, in der der Pope jetzt Lucia und Igor traute. Lucia registrierte mit Erstaunen, dass sie tatsächlich richtig heirateten. Na gut, eigentlich war Igor kein schlechter Gefährte. Dennoch gedachte sie nicht das Bett mit ihm zu teilen Oder höchstens in der Hochzeitsnacht, da könnte sie ein paar Zugeständnisse machen.
    LUCIAS UND IGORS
    RUSSISCHE RIESENHOCHZEIT
    Zum Hochzeitsmahl hatten sich also gut zweitausend Gäste versammelt. Und es gab wirklich Unmengen zu essen. Auf Dutzenden langer Tische standen Vorspeisen, Salate, diverse Suppen, herrliche Hauptgerichte und die verschiedensten Nachspeisen bereit, dazu viele Sorten Getränke. Igors Vater war bereits tot, sodass seine Großmutter die
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