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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang
Autoren: Phil Rickman
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des Kurses hat er mir erklärt, dass ordinierte Frauen von Satanisten und Neurotikern aller Art besonders gehasst werden. Weshalb sich eine weibliche Exorzistin genauso gut gleich eine Zielscheibe zwischen die … auf die Brust malen kann.»
    «Vielleicht haben Sie das als Herausforderung begriffen.» Dezent vermied Spicer einen Blick auf ihre Brust. «Als Gelegenheit, das Pfarramt für die Frau in eine dunkle, verbotene Zone zu tragen.»
    «Also, nein, was ich sagen wollte … Ich bin keine militante Feministin, ich bin keine Postfeministin, ich leiste keine Pionierarbeit, und ich bin keine …»
    «Ehrlich.» Er hob beide Hände. «Ich habe kein Problem mit Pfarrerinnen. Nicht mal mit Beraterinnen für spirituelle Grenzfragen. Im Prinzip.»
    «Wo liegt dann das Problem?»
    Der Wasserkessel begann zu pfeifen.
    «Das Problem ist», sagte er, «wenn man es ernst nimmt, was man ja tun sollte – und nachdem Sie relativ neu in Ihrem Amt sind und latent immer mitschwingt, dass Pfarrerinnen noch etwas zu beweisen hätten –, erscheint es mir so, als wären Sie möglicherweise nicht so geeignet für etwas, das ein beträchtliches Medienecho haben könnte.»
    «Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.»
    «Ich meine, wenn ich, als Gemeindepfarrer von Wychehill, Sie, als offizielle Diözesanexorzistin, bitten würde, eine öffentliche Zeremonie für eine, nennen wir es mal spirituelle Reinigung durchzuführen, einfach, damit sich die Gemeinde wohler fühlt – und um ein bisschen Druck abzubauen?»
    «Druck auf wen abzubauen?» Merrily tastete in ihrer Schultertasche nach den Zigaretten.
    «Auf mich zunächst einmal.» Spicer goss kochendes Wasser in eine dunkelbraune Teekanne. «Sehen Sie, diese Leute, die sagen, sie hätten einen Unfall gehabt, weil sie einer geisterhaften Erscheinung ausgewichen sind … Damit habe ich Schwierigkeiten. Das sind alles respektable Leute, aber …»
    «Das ist schon in Ordnung.» Merrily zog die Schachtel Silk Cut und ihr verbeultes Zippo aus der Tasche. «Wirklich.»
     
    Für einen Ortsfremden war die Straße das am wenigsten Geisterhafte an Upper Wychehill. Sie schwang sich in einem weiten, gemächlichen Bogen talwärts, und dahinter erhoben sich die bewaldeten Hügel wie die Schultern eines Riesen. Da viele der Wohnhäuser nicht zu sehen waren, hatte Merrily Schwierigkeiten gehabt festzustellen, wo das Dorf begann und wo es endete.
    Der Grund, aus dem viele Häuser nicht zu sehen waren, lag darin, dass sie auf verschiedenen Ebenen oberhalb und unterhalb der Straße standen. Die Häuser oberhalb waren in den Hügel gebaut, und von denen unterhalb sah man beim Vorbeifahren nur Hecken, Mauern und Tore. Es schien sich hauptsächlich um Bungalows mit Veranden im Kolonialstil oder gefliesten Terrassen zu handeln, die mit Sonnenuhren, Statuen und Grillplätzen ausgestattet waren und einen großartigen Ausblick über die Landschaft von Herefordshire boten.
    Die wenigen grauen Gebäude auf Straßenniveau wurden von der Kirche überragt, diesem gigantischen neugotischen Bauwerk, vermutlich aus spätviktorianischer Zeit, dessen Eingang von zwei mächtigen Eichen beschirmt wurde. Etwas weiter unten stand das aus dem gleichen Stein erbaute Pfarrhaus mit seinem dramatischen Ausblick über den Beacon. Es war ein großes Haus mit einer selbstgebauten Kinderschaukel im Vorgarten. Merrily hatte Sophie allerdings so verstanden, dass Spicers Kinder längst aus dem Schaukelalter raus waren. Trotzdem wirkten das abblätternde Gestell und das Schaukelbrett, das sich an einer Seite von der Kette gelöst hatte, als wollten sie auf schonungslose Weise den Verlust symbolisieren.
    Als sie eingetreten waren, hatte Merrily, ohne weiter nachzudenken, gefragt, ob Spicer eine Hilfe im Haus hätte.
    «Was? Eine Putzfrau? Eine Haushälterin?» Er hatte gelacht. «Haben Sie eine?»
    Natürlich nicht. Dafür reichte das Gehalt nicht.
    «Ich bekomme manchmal Hilfe angeboten», hatte er gesagt. «Wir haben ein paar sehr nette Damen in Upper Wychehill. Die Damen von Wychehill. Das klingt doch wie ein Romantitel, oder? Hören Sie. Die erste Regel des Single-Pfarrers lautet: Gib niemandem Gelegenheit, Klatschgeschichten zu erfinden. Meine Frau ist jetzt etwas über drei Monate weg. Seitdem habe ich mich allein um Putzen, Kochen und Wäschewaschen gekümmert und noch drei Gemeinden betreut. Da werden die Tage ziemlich lang.»
    Er sah sie mit seinen Teddyaugen unbewegt an.
    «Aber die Nächte zum Glück kurz.»
     
    Vor dem
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