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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang
Autoren: Phil Rickman
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Erkerfenster zog sich der Garten, der immer noch im Schatten lag, bis hinunter zu einer Tannenschonung. Der Rasen war sorgfältig gemäht, doch Blumen gab es keine.
    «Ich kann Ihnen eine Liste der Leute schreiben, mit denen Sie sprechen sollten, dann können Sie sich Ihre eigene Meinung bilden.» Syd Spicer ging zu dem Rayburn hinüber. «Möchten Sie einen Toast? Ich kann Ihnen auch ein echtes englisches Frühstück anbieten. Das wäre kein Problem.»
    «Das sehe ich. Tee genügt mir, vielen Dank.»
    Er stellte zwei weiße Teebecher auf den Tisch und holte dann Zucker und Milch.
    «Die Sache ist die, Mrs. Watkins, auf dem Land …»
    «Merrily, oder? Was meinen Sie?»
    «Ja, okay. Also, auf dem Land, Merrily, sind die Leute abergläubisch, genau, wie sie es von jeher waren – das wissen Sie selbst. Wo liegt Ihre Gemeinde? Im Norden von Herefordshire?»
    «Ledwardine. Ungefähr eine Stunde von hier.»
    Er nickte. «Nur kommt heutzutage der Aberglaube aus einer anderen Richtung. Die Einheimischen sind vielleicht sogar weniger leichtgläubig als ihre Großeltern, aber unter den aus der Stadt Zugezogenen sind immer ein paar, die hier in die Einöde kommen, weil sie zu einem ursprünglichen Glaubenssystem zurückkehren
wollen
. Das sind diejenigen, die alte Volksbräuche wiederbeleben und Amulette an ihre Veranden hängen.»
    «Alles, nur nicht zur Messe gehen», sagte Merrily. «Und Sie meinen, das sind die Leute, die bei einem Unfallschwerpunkt gleich behaupten, in der Gegend würde ein Geist umgehen?»
    Spicer schüttelte betrübt den Kopf.
    «Ich habe drei Gemeinden, und in den anderen gibt es eine gesunde Mischung von Einheimischen und frischem Blut. In Upper Wychehill dagegen gilt man schon nach fünfundzwanzig Jahren als echter Eingeborener. Das Dorf existiert überhaupt erst seit den zwanziger Jahren. Damals wurde die Kirche gebaut – war von dem Besitzer eines der Steinbruchunternehmen, die in den Malverns gewütet haben, als so eine Art Entschuldigung gedacht.»
    «Das muss ihm aber wirklich
sehr
leidgetan haben.»
    «Ja, kaum zu fassen, oder? Besonders hier, wo es außer ein paar Bauernhöfen eigentlich nichts gab. Der Mann hat darin auch eine Art Konzerthaus gesehen – nur für geistliche Musik, versteht sich. Zur gleichen Zeit hat er dieses Haus hier für den Pfarrer gebaut und der Kirche eine Summe zur Verfügung gestellt, um ihn zu bezahlen – ist natürlich längst aufgebraucht, aber seitdem wurden mehr Wohnhäuser gebaut, und es hat sich ein Pfarrbezirk entwickelt.»
    «Sie meinen also, kein …»
    «Nein, kein
richtiges
Dorf. Nur ein Durcheinander von Wohnhäusern an einer unbefestigten Straße. Also gehen die Leute selten zu Fuß und begegnen sich kaum. Ein paar Häuser sind ohnehin nur Wochenend-Cottages. In einem davon ist letztes Jahr ein Mann gestorben, der wurde erst nach drei Wochen gefunden. So ist das hier. Kein Dorfladen, kein gemütlicher Pub. Nur eine Kirche, die schon immer viel zu groß war, und Leute, die wegen der schönen Aussicht hierher ziehen.»
    Spicer holte ein zusammengefaltetes Papier aus seiner Soutane. Er strich es glatt und legte es vor Merrily auf den Tisch.
    Lieber Herr Pfarrer,
    es tut mir leid, Sie zu belästigen, und ich hätte nie geglaubt, jemals einen solchen Brief zu schreiben, aber ich bin krank vor Sorge um meine Tochter, die, wie Sie wissen, Gemeindekrankenschwester ist und zu jeder Tages- und Nachtzeit mit dem Auto unterwegs sein muss. Ich habe schreckliche Angst, dass ihr auf dieser Straße etwas passiert. Ich schaffe es nicht mehr so oft in die Kirche, wie ich es möchte, seit ich gehbehindert bin, aber ich bitte Sie darum, jede Maßnahme zu ergreifen, die notwendig ist, um mit diesem Problem fertigzuwerden. Es ist mir gleich, wer oder was es ist, man muss es loswerden, egal, welche Mittel Ihnen dazu zur Verfügung stehen.
    Ich fühle mich wie ein Narr, weil ich diesen Brief schreibe, aber Helen ist alles, was mir auf dieser Welt geblieben ist.
    Mit freundlichen Grüßen
    D. H. Walford
    «Der arme alte Donald. Seine Frau ist vor drei Jahren gestorben. Die Tochter ist nach ihrer Scheidung zu ihm gezogen. Er ist ein vollkommen rationaler Mensch, Grundschulrektor im Ruhestand. Aber so … so schaukelt sich das hoch.»
    «Welches war der erste Unfall dieser Art, von dem Sie gehört haben?»
    «Ein Laster. Ist quer über die Straße in die Kirchenmauer rein, das habe ich ja schon erzählt. Ich warte immer noch darauf, dass die Versicherung den Schaden
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