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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held
Autoren: Mario Vargas Llosa
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che guá . Woher soll ich dir sagen, ob ein Chevrolet besser ist oder ein Ford, was weiß ich schon von Automarken, wo ich nie ein Auto gehabt habe und nie eins haben werde.« Doch manchmal, auch wenn sie kaum wusste, worum es ging, kam ihr eine Eingebung, und sie gab ihm einen Rat: »Ja, mach das, Felícito, ich glaube, das wird klappen.« Oder: »Nein, Felícito, das wäre nicht gut, ich weiß nicht, was, aber etwas scheint mir an der Sache faul zu sein.« Die Worte der Santera waren für den Unternehmer wie geoffenbarte Wahrheiten, und er befolgte sie, so unbegreiflich oder absurd sie auch erscheinen mochten.
    »Du bist eingeschlafen, Schätzchen«, hörte er sie sagen.
    Tatsächlich, er war eingeschlafen, nachdem das Glas frisches Wasser, das Adelaida ihm gebracht hatte, ausgetrunken war. Wie lange hatte er wohl geschlummert auf diesem harten Schaukelstuhl, der ihm einen Krampf im Hintern bescherte? Er sah auf die Uhr. Halb so schlimm, ein paar Minuten nur.
    »Das war die Anspannung heute Morgen und das ganze Hinund Her«, sagte er und stand auf. »Bis dann, Adelaida. Wie ruhig du es hier in deinem Laden hast. Es tut mir immer gut, dich zu besuchen, auch wenn dir keine Eingebung kommt.«
    Und im selben Moment, als er das Schlüsselwort aussprach, Eingebung, bemerkte Felícito, dass der Gesichtsausdruck der Santera nicht mehr derselbe war. Jetzt war sie sehr ernst, mit versteinerter Miene, die Stirn gerunzelt, und biss sich auf einen Fingernagel. Als hielte sie die Angst zurück, die in ihr aufstieg. Mit ihren riesigen Augen starrte sie ihn an. Felícito spürte, wie sein Herz galoppierte.
    »Was ist mit dir, Adelaida?«, fragte er erschrocken. »Sag nicht, du hast auf einmal …«
    Sie packte ihn am Arm und bohrte die Finger hinein.
    »Gib ihnen, was sie von dir verlangen, Felícito«, murmelte sie. »Am besten gibst du es ihnen.«
    »Ich soll diesen Erpressern fünfhundert Dollar im Monat geben, damit sie mir nichts antun?« Der Unternehmer war empört. »Sagt dir das deine Eingebung, Adelaida?«
    Die Santera ließ seinen Arm los und tätschelte ihn liebevoll.
    »Ich weiß, das ist nicht gut, das ist viel Geld«, sagte sie schließlich. »Aber was bedeutet nach allem schon das Geld, meinst du nicht? Wichtiger ist deine Gesundheit und dass du deine Ruhe hast, deine Arbeit, deine Familie, dein Liebchen in Castilla. Ich weiß, es gefällt dir nicht, dass ich dir das sage. Mir auch nicht, du bist ein guter Freund. Außerdem, womöglich irre ich mich ja und ich gebe dir einen schlechten Rat. Du musst mir nicht glauben, Felícito.«
    »Das Geld ist es nicht«, sagte er mit fester Stimme. »Ein Mann darf sich von niemandem herumschubsen lassen in diesem Leben. Darum geht es, nur darum, Adelaida.«

II
    Als Don Ismael Carrera, Inhaber der Versicherungsgesellschaft, in sein Büro kam und ihm vorschlug, zusammen zu Mittag zu essen, dachte Rigoberto: Jetzt wird er mich wieder bitten, einen Rückzieher zu machen. Denn Ismael war, so wie alle Kollegen und Untergebenen, sehr überrascht gewesen von seiner plötzlichen Ankündigung, er werde drei Jahre vor der Zeit in den Ruhestand treten. Wozu mit zweiundsechzig Abschied nehmen, sagten sie ihm, wo er doch noch in der Geschäftsführung verbleiben und, umgeben vom einmütigen Respekt der fast dreihundert Angestellten, die Firma weiter leiten konnte.
    Wozu, ja, wozu, dachte er. Nicht einmal ihm selbst war es richtig klar. Doch keine Frage, sein Beschluss stand fest, felsenfest. Keinen Schritt zurück würde er tun, auch wenn er, eben weil er drei Jahre vor Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres ging, nicht die volle Rente bekäme und auch kein Anrecht hätte auf all die Boni und netten Kleinigkeiten für jene, die die Altersgrenze für den Ruhestand erreichten.
    Er versuchte sich aufzumuntern und dachte an die freie Zeit, über die er bald verfügte. Stundenlang würde er in seinem Kultureckchen verbringen, geschützt vor der Verrohung ringsum, würde seine geliebten Bilder betrachten, die Kunstbände, die sich in seiner Bibliothek aneinanderreihten, würde gute Musik hören, mit Lucrecia nach Europa reisen, jedes Jahr im Frühjahr oder im Herbst, würde auf Festivals und Kunstmessen gehen, Museen besuchen, Stiftungen, Galerien, noch einmal diese wunderbaren Bilder und Skulpturen ansehen und weitere entdecken, die er dann in seine geheime Pinakothek aufnahm. Er hatte es überschlagen, und rechnen konnte er. Wenn er seine Ersparnisse von fast einer halben Million Dollar
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