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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund.
Autoren: Tom Sharpe
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ausgesprochen finsterer Laune.

29
    Sobald der letzte Scharfschütze von der Rasenfläche getragen worden war, widmeten sich die von Scotland Yard (»Mir ist scheißegal, was dieser Trottel Gonders sagt. Ich erteile Ihnen das Kommando«, sagte der Innenminister zu dem Polizeichef von Scotland Yard) eingeflogenen Gerichtsmediziner der schier unlösbaren Aufgabe, Mrs. Devizes’ sterbliche Überreste von denen von Mrs. Laura Midden Rayter und den anderen zu unterscheiden (was höchstens mit Hilfe von DNS-Tests gelingen konnte), während die hummerfarbene Köchin einem aus mindestens fünfzehn Millionen Zuschauern bestehenden Fernsehpublikum erklärte, wie sie und die anderen Küchenkräfte dem Inferno entkommen waren, indem sie sich im Keller versteckt hatten und dort gekocht wurden, und während die Personen, die fürsorglich und tief betroffen waren, in ihr sündhaft teures Konferenzhotel zurückkehrten, um den Schließmuskel in einem gänzlich neuen Kontext zu diskutieren, nämlich als Bestandteil der Arschlöcher des antifeministischen Staates, sprich der Polizei; kurz, als sich die Lage wieder normalisierte, brachte der Dekan die Porterhouse-Mission für die Isle of Dogs fort von dem schwelenden Haufen Dreck, der einmal Middenhall gewesen war. Im Unterholz tastete Consuelo McKoy an ihrem silbrigen Trikot herum und fragte sich, ob ihre Einstellung gegenüber kleinen Jungen je wieder wie früher werden würde. Inspector Rascombe konnte diese Frage für seine Person mit einem klaren Nein beantworten. Er saß im hinteren Bereich eines Mannschaftswagens der Polizei und interessierte sich nicht im geringsten für das Schicksal kleiner Kindlein. Von ihm aus konnte man schwarze Messen abhalten und die kleinen Ekel im Stundentakt abschlachten, er würde frohlocken. Ansonsten hatte er wenig Anlaß zu frohlocken. Im Polizeipräsidium wartete man auf ihn, und die beiden Detectives, die ihn abgeholt hatten, sagten, zwei Vernehmungsbeamte mit Sonderauftrag seien aus London zu einem kleinen Plausch mit ihm eingeflogen worden. Rascombe wußte, was das bedeutete. Auch er hatte schon »kleine Pläusche« mit Leuten geführt, die überhaupt nicht begeistert davon gewesen waren.
    Hinter ihm im Wald ließ Phoebe Turnbird Detective Constable Larkin zurück, dessen Daumen sie hinter seinem Rücken um einen Baum geführt und zusammengebunden hatte, ein Trick, den ihr Brigadegeneral Turnbird beigebracht hatte. Dann machte sie sich in ihrem befleckten und zerrissenen weißen Kleidchen triumphierend zum Middenschen Bauernhaus auf. Sie wollte die arme Marjorie Midden trösten und sie wissen lassen, wie schrecklich leid es ihr tat und wie sehr sie im Augenblick dieses Verlustes mit ihr fühlte. Zu ihrem Erstaunen saß Miss Midden vor der Haustür und sah für eine Frau, die alles verloren hatte, erstaunlich vergnügt aus. »O meine arme, liebe ...«, fing Phoebe an, ohne das zufriedene Leuchten in Miss Middens Miene weiter zu beachten. Trotz ihrer lyrischen Neigungen war Miss Turnbird kein sehr sensibler oder aufmerksamer Mensch, oder vielleicht war die Lyrik auch ein Ersatz für Sensibilität und Aufmerksamkeit. Sie war gekommen, um der armen, lieben Marjorie ihr Mitgefühl auszusprechen (und sie herablassend zu behandeln), was sie auch tun würde, mochte kommen, was da wollte. Aber viel mehr als an diesem Morgen konnte nicht mehr kommen. Und Miss Midden hatte bisher einen zu angenehmen Tag gehabt, um sich jetzt Phoebe Turnbirds Gefühlsduseleien kombiniert mit abscheulichem Mitgefühl anzuhören. Außerdem hatte Phoebe augenscheinlich nicht den ganzen Tag in der Kirche verbracht, sondern sonstwo. Darauf ließen die Humuserde auf ihrem Gesicht und der Zustand ihres Kleides schließen. Offenbar hatte sie sich auf der Erde gewälzt und sich köstlich amüsiert. Als Miss Midden sie so ansah, kam ihr plötzlich eine Idee. Sie hob die Hand und ihre Stimme.
    »Sei endlich still, Phoebe. Ich will nichts davon hören. Und jetzt hol dir einen Stuhl ... nein, geh nach oben und wasch dir zuerst das Gesicht. Du siehst aus wie Barbara Gart ... Du siehst ganz anders aus als sonst. Lippenstift steht dir nicht. Vermutlich hast du ihn für diesen gräßlichen alten Dekan aufgelegt, weil er einmal gesagt hat ... Egal. Ich mache jetzt eine schöne Kanne Tee, und dann erzähle ich dir alles.«
    Phoebe stapfte nach oben, und als sie wieder nach unten kam, sah sie schon viel besser aus. Wenigstens war der Lippenstift verschwunden, allerdings sah man nun
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