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Ein Dämon macht noch keinen Sommer

Ein Dämon macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Dämon macht noch keinen Sommer
Autoren: Robert Asprin
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für meine Fähigkeiten.
    Wie um ein Gleichgewicht zu diesem Problem zu schaffen, konnte Vic jedoch auch nicht richtig fliegen - jedenfalls schien er nie mit den Flügeln zu schlagen. Statt dessen genügte es ihm anscheinend, im Gleitflug dahinzuschweben und gelegentlich einen Aufwind auszunutzen. Das zwang ihn, unentwegt Kreise zu fliegen und immer wieder fast denselben Abschnitt zu durchqueren. Das war mir ganz recht, da ich mich nicht allzu weit von der energiespendenden Kraftlinie entfernen wollte, nun da ich endlich eine entdeckt hatte. Der Gedanke, in fünfzig Fuß Höhe plötzlich keine magische Kraft mehr zu besitzen, behagte mir nicht im mindesten.
    Jedenfalls entwickelten wir schon bald einen merkwürdigen Flugstil, wobei Vic durch kreisförmige Bahnen zu fliehen versuchte, während ich mich abmühte, ihn durch vertikale und horizontale Flugmanöver abzufangen. Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, dass dieser Konflikt nicht eben schnell gelöst wurde. Sobald ich ein Manöver entwickelt hatte, das mir beim nächstenmal ein Abfangen des Vampirs ermöglicht hätte, erkannte Vic die Gefahr, in der er sich plötzlich befand, und änderte sein Bewegungsmuster, so dass ich erst seinen neuen Kurs berechnen musste.
    Die Menge genoss es in vollen Zügen.
    Sie juchzte und schrie, und ihre ermutigenden Schreie klangen abwechselnd laut und leise, je nachdem, welche Flughöhe wir gerade hielten. Es ließ sich allerdings unmöglich feststellen, wem sie eigentlich zujubelten, obgleich ich eine Weile glaubte, dass ich es sei, was angesichts der Begeisterung, die sie bei meinem ersten Eingriff ins Getümmel geäußert hatten, auch naheliegend war. Doch dann fiel mir auf, dass die Menge inzwischen erheblich größer geworden war als zu Anfang, da ich mich eingeschaltet hatte, und mir wurde klar, dass viele der Zuschauer gar nicht dabeigewesen war. Für diese sah es wahrscheinlich so aus als würde einer der ihren von einem Ungeheuer aus anderen Dimension durch die Luft gejagt.
    Dieser Gedanke war so beunruhigend, dass ich einen Teil meiner Aufmerksamkeit darauf konzentrierte, die umliegenden Dächer im Auge zu behalten, für den Fall, dass dort vielleicht ein Heckenschütze lauern mochte, um seinem Landsmann zu Hilfe zu eilen. Das erwies sich als die klügste Entscheidung, die ich bisher getroffen hatte.
    Als ich gerade über die Schulter sah, prallte ich mit voller Wucht gegen Vic, der soeben seine Flugbahn zum zweitenmal durchflog. Wahrscheinlich hätte dieser Scheinangriff seinen Zweck erfüllt, wenn ich ihn gesehen hätte, doch so prallten wir mit Höchstgeschwindigkeit ineinander, und der Zusammenstoss betäubte uns beide für einen Augenblick. Es gelang mir jedoch, den Rollkragen des Vampirs zu ergreifen, während wir zehn Fuß in die Tiefe stürzten, bevor ich meine Levitationskraft so ausweitete, dass sie unser beider Gewicht tragen konnte.
    »Was ist denn los mit dir?« fragte ich und versuchte, ihn zu schütteln, was allerdings nur dazu führte, dass wir in der Luft hin und her pendelten.
    »Weglaufen nützt doch nichts.«
    Da bemerkte ich, dass Vic weinte.
    Irgendwie erschien mir dies fürchterlich unfair. Ich meine, wie soll man denn auf einen Bösewicht noch wütend sein, wenn er anfängt zu weinen? Na schön, bin ich eben ein Weichspüler. Aber das Weinen machte wirklich einen Unterschied.
    »Ich kann nicht gegen euch alle kämpfen!« schluchzte er, und die Tränen strömten ihm über die Wangen. »Wenn ich etwas von Magik verstünde, könnte ich vielleicht einen von euch mit hopsgehen lassen ... aber um mich umzubringen, musst du dich trotzdem verdammt anstrengen!«
    Damit riss er sich von mir los und schoss wieder davon.
    Seine Worte verblüfften mich derart, dass ich ihn beinahe hätte entkommen lassen. Glücklicherweise war ich geistesgegenwärtig genug, ihm etwas nachzurufen.
    »He, Blödmann! Kein Mensch versucht, dich umzubringen!«
    »Na klar«, rief er zurück. »Du bist ja auch bloß zum Spaß hier oben!«
    Er nahm langsam wieder Kurs auf die Straße, und ich wusste, dass ich nur noch einen einzigen Versuch hatte.
    »Hör mal! Würdest du aufhören, abzuhauen, wenn ich aufhörte, dir nachzujagen? Ich glaube, hier liegt ein gewaltiges Missverständnis vor.«
    Er warf einen Blick hinter sich und stellte fest, dass ich mich noch immer am Ort unseres Zusammenstosses befand. Er änderte seinen Kurs geringfügig, breitete die Schwingen aus und landete auf einem geschnitzten Wasserspeier, der direkt
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