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Ein bissfestes Abenteuer

Ein bissfestes Abenteuer

Titel: Ein bissfestes Abenteuer
Autoren: Franziska Gehm
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er die Augen und stieß den Sargdeckel auf. »Was?«
    Seine Tochter Daka, die sieben Minuten jüngere Zwillingsschwester von Silvania, hielt ihm den Telefonhörer entgegen. »Onkel Vlad.«
    Herr Tepes fuhr sich durch die Haare. »Schon wieder?«
    Daka nickte.
    »Mitten am Tag?«
    Daka nickte abermals.
    Schließlich nahm Herr Tepes den Telefonhörer. »Danke«, sagte er und strich Daka kurz über ihre Stachelhaarfrisur. Erst gestern Nacht hatte Mihai Tepes mit seinem Bruder gechattet. Und vorgestern Nacht hatten sie sich im Fünfminutentakt SMS geschrieben. Herrn Tepes tat noch immer der Daumen weh. Anscheinend vermisste Vlad seinen kleinen Bruder in Transsilvanien genauso sehr wie der seinen großen Bruder in Deutschland.
    »Hoi, Vlad«, meldete sich Mihai. Das Gespräch fand natürlich auf Vampwanisch statt. Einer der kompliziertesten und ältesten Sprachen der Welt. Vlad erkundigte sich nach der Familie, dann regte er sich über einen Nachbarn auf, der tagsüber Orgel spielte (und dazu noch schlecht), und schließlich kam er zu seinem Lieblingsthema: der Weltrevolution der Vampire aller Länder.
    Mihai Tepes war über die Revolution aus früheren Gesprächen bestens informiert, deswegen hörte er nicht so genau hin. Er legte sich mit dem Telefonhörer am Ohr wieder in den Sarg, schloss den Deckel und brummte ab und zu »hm, hm«. Herr Tepes brauchte dringend Schlaf. Seine Nachtschichten als Gerichtsmediziner am Institut für Rechtsmedizin waren doch anstrengender, als er gedacht hatte. Vor allem, wenn man neben der Arbeit noch ein paar leckere Blutkonserven mit nach Hause in die große Tiefkühltruhe schmuggeln musste.
    Daka war wieder nach oben gegangen. Sie setzte sich neben Silvania auf die blutrote Couch im Wohnzimmer und stellte ihre nackten Füße in ein Katzenklo. Es gehörte Herrn Tepes und war am Boden mit Heimaterde bedeckt.
    Silvania las in der neuesten Mädchenzeitschrift. »Fumpfs!«, rief sie. »Lila ist total out, jetzt ist Kirschrot in.« Sie starrte voller Entsetzen auf ihre lila lackierten Fingernägel.
    »Tja, da hilft nur Fingerabhacken.« Daka verdrehte die Augen.
    »Übrigens ist der Punklook auch total out«, sagte Silvania und zeigte auf die Seeigelhaarfrisur ihrer Schwester.
    »Bei Menschen vielleicht.«
    Silvania seufzte. »Hallo! Guten Morgen! Wir sind jetzt bei den Menschen.«
    »Na und? Trotzdem bin ich ein Halbvampir.« Daka fuhr sich mit der Zunge über ihre spitzen Eckzähne. Es war höchste Zeit für Dentiküre. Sie sprang auf und holte ihre Zahnfeile aus dem Bad. Dann setzte sie sich wieder auf die Wohnzimmercouch und begann, an einem Eckzahn zu feilen. Es quietschte furchtbar.
    Silvania verzog das Gesicht. »Was soll denn das jetzt?«
    Daka setzte die Feile ab. »Dentiküre. Radikale Regel Nummer sieben.« Frau Tepes hatte sieben radikale Regeln für die Töchter aufgestellt. Sie verboten den Halbvampiren zum Beispiel Fliegen bei Tageslicht, Flopsen, lebende Mahlzeiten und schrieben Dentiküre und Tragen von Sonnenschutz vor. Normalerweise hielt sich Daka nicht besonders an die radikalen Regeln. Aber wenn ihr langweilig war und sie ihre Schwester damit ärgern konnte, dann schon.
    »Musst du das hier mitten im Wohnzimmer machen?« Silvania beugte sich zur Terrassentür. »Wo dich jeder sehen kann?«
    »Meinst du den Komposttypen?« Daka winkte ab. »Der hat sich schon seit Tagen nicht mehr blicken lassen.«
    Dirk van Kombast, der unmittelbare Nachbar der Tepes, war tatsächlich seit Tagen wie vom Erdboden verschluckt. Dabei sah man ihn sonst regelmäßig, gut gebräunt und gut geföhnt, in seinem silbernen Sportwagen den Lindenweg entlangfahren.
    »Vielleicht ist er auf extralange Vertreterreise gegangen«, überlegte Silvania laut.
    »Sag bloß, du vermisst ihn!«
    Silvania warf ihrer Schwester einen mitleidigen Blick zu. Es war nicht zu fassen, was sieben Minuten Altersunterschied ausmachten! Daka hatte keine Ahnung von Männern, der Liebe und anderen grundlegenden Dingen. »Nur weil ich finde, dass er wahnsinnig gut aussieht, vermisse ich ihn doch nicht gleich.«
    »Wahrscheinlich hat er nach der Geschichte mit Rattatoi Angst, dass Papa ihn wirklich anzeigt, und hat sich erst mal aus dem Staub gemacht«, sagte Daka.
    Herr van Kombast hatte eine tote Ratte auf der Terrasse der Tepes gefunden. Mit eindeutigen Bissabdrücken. Herr Tepes (der seinen Mitternachtssnack auf der Terrasse vergessen hatte) konnte Dirk van Kombast davon überzeugen, dass es sich um das Haustier der
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