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Ein Ballnachtstraum

Ein Ballnachtstraum

Titel: Ein Ballnachtstraum
Autoren: Jillian Hunter
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müde gewesen, hätte sie Verdacht geschöpft. Aber es war spät nachts, Lord Thornton war immer noch nicht nach Hause gekommen, obgleich er im Morgengrauen zu einem Duell antreten musste. Und zu allem Überfluss stand ihr noch ein Frühstück bei der Mutter des Barons bevor. Sie brauchte ihren Schlaf und wollte endlich ins Bett.
    „Was tun Sie da?“, wiederholte sie einen Ton schärfer.
    „Ich suche ein passendes Kleid für das Frühstück.“ Thalia warf ein hauchdünnes Seidenkleid auf das Bett.
    „Doch nicht das da … diesen dünnen Fetzen. Das ist ja beinahe durchsichtig. Man kann Ihre Beine erkennen.“
    „Selber schuld, wenn die Leute hinsehen“, entgegnete Thalia aufsässig und fügte herablassend hinzu: „Sie können sich zurückziehen, Eloise. Ich bin sehr wohl in der Lage, alleine zu entscheiden, was ich anziehe.“
    Mit einem Blick zur Kaminuhr, deren Zeiger bereits nach Mitternacht gerückt waren, wandte Eloise sich zur Tür. Nur noch zwanzig Tage. In ihrer Erleichterung, dass ihre Leidenszeit sich um einen weiteren Tag verkürzt hatte, wurde Eloise nicht misstrauisch wegen Thalias seltsamer Aktivitäten.
    Ihre Zerstreutheit hing in gewisser Weise auch damit zusammen, dass der Mann ihr nicht aus dem Sinn ging, der sie nach Hause begleitet hatte. Würde Sie ihn Wiedersehen? Diesen schönen Fremden, der ihre Lippen mit seinen heißen Küssen gebrandmarkt hatte?
    Als sie beinahe eine Stunde später im Bett lag, nachdem sie sich gewaschen, die Zähne mit Zahnpulver geputzt und ihr Nachtgebet gesprochen hatte, dachte sie immer noch an ihn.
    Ein merkwürdiges Klappern im Garten schreckte sie aus ihren Träumereien. Sie sprang aus dem Bett und öffnete hastig das Fenster.
    Benommen spähte sie in die Finsternis, entdeckte eine Leiter im Gras, und ihr Herzschlag drohte auszusetzen. Grundgütiger! Das Mädchen hatte sich davongeschlichen, vor ihrer Nase. Während sie schwärmerisch von den Küssen eines Frauenhelden träumte, war ihre Schutzbefohlene entflohen.
    Mit dem Verschwinden der undankbaren Göre hatte sich Eloises wohlverdiente Belohnung des Barons in Luft aufgelöst. Und ihr Ruf als verantwortungsvolle Gouvernante war gleichfalls dahin.
    Sie stürmte aus dem Zimmer, den Flur entlang und riss ohne anzuklopfen die Tür zu Lord Thorntons Gemach auf. Nicht dass Seine Lordschaft es verdient hätte, höflich behandelt zu werden, es war auch unnötig, einen Gedanken daran zu verschwenden. Das Zimmer war leer.
    Die Schreibtischfächer waren herausgezogen, die Tür seines Kleiderschranks stand sperrangelweit offen. Vermutlich hatte ihr Dienstherr sich heimlich ins Haus geschlichen, das Nötigste eingepackt und sich wieder davongemacht, um nicht zum Duell antreten zu müssen. Dieser Feigling. Sie nahm eine seiner Duellpistolen vom Schreibtisch.
    „Ich bringe den Mistkerl um“, schrie sie entrüstet. „Ich bringe die ganze Brut um und lande entweder im Irrenhaus oder am Galgen.“
    Fuchsteufelswild stürmte sie die Hintertreppe in die Küche hinunter, wo Freddie, der einzige Diener, den Lord Thornton sich außer seinem Butler leisten konnte, vor einem Krug Bier am blank gescheuerten Tisch hockte.
    „Miss Goodwin“, rief er erschrocken. „Wo brennt‘s? Um Gottes willen, was wollen Sie denn mit der Pistole?“
    „Sie ist fortgelaufen.“ Sie starrte ihn entsetzt an, bevor sie die Waffe auf den Tisch warf. „Sie sind beide verschwunden. Lord Thornton hat sich aus dem Staub gemacht, um sich morgen früh nicht duellieren zu müssen. Und seine Schwester hat ihre Drohung wahrgemacht und ist durchgebrannt.“
    „Gütiger Himmel!“ Freddie stellte den Bierkrug krachend neben die Pistole. „Und wir können sehen, wo unser Lohn bleibt.“
    Bluebell, die stets fidele Küchenmagd, steckte schlaftrunken ihren zerzausten Lockenkopf zur Tür herein. „Schreit nicht so laut, ihr zwei. Ihr weckt noch das ganze Haus auf.“
    „Das ganze verdammte Haus ist leer“, entgegnete Eloise erbittert.
    Das Mädchen warf dem Diener einen ratlosen Blick zu. Miss Goodwin fluchte nie. „Was ist denn passiert?“, fragte sie ängstlich und huschte in die Küche. „Wo sind sie denn hin, Miss?“
    „Woher soll ich das wissen?“ Eloise sank mutlos auf den nächsten Stuhl. „Ich muss nachdenken. Weit kann die dumme Gans nicht gekommen sein.“
    „Die dumme Gans?“, wiederholte Bluebell, deren Interesse geweckt war. Alle Dienstboten teilten diese Meinung, aber die gesetzte, stets höfliche Gouvernante hatte nie so
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