Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ami in Tirol

Ein Ami in Tirol

Titel: Ein Ami in Tirol
Autoren: Peter Steingruber
Vom Netzwerk:
dem Zimmer?«
    »Das Bett hab' ich schon überzogen. Jetzt ist die Emerenz gerade mit dem Putzeimer am Werkeln. In einer Viertelstunde kann der Gast einziehen.«
    »Da fällt mir ein ...«
    »Was?«
    »Ich hab' gar nicht gesehen, ob er ein Gepäck dabei hat? Jedenfalls hab' ich drunten keinen Koffer stehen sehen. Na ja, ich werd ihn später fragen. Also, du bist soweit?«
    »Ich bin fertig«, bestätigte Linda.
    »Gut, dann gehen wir hinunter. Es ist mir ein wengl peinlich, dass wir gerade heute aus dem Haus mussen. Jetzt komm, ich stell dich vor!«
    »Mei, bin ich aufgeregt, Eva. Ich hab' noch nie einen Amerikaner kennengelernt.«
    »Bei mir war's auch der erste«, kommentierte Eva etwas trocken. »Und du wirst sehen, er ist ein Mensch wie jeder andere auch.«
    »Noch eine beautyful Lady im Haus!«, rief Brown und küsste Linda die Hand. Die Hoftochter wurde rot wie eine Vollreife Tomate und wusste nicht mehr, in welche Ecke sie blicken sollte. Gewöhnlich war Linda nicht auf den Mund gefallen. Doch in diesem Falle brachte sie keinen Pieps hervor.
    »Wo haben Sie denn Ihr Gepäck, Mr. Brown?«, erkundigte sich Eva und half damit ihrer Schwester aus der Verlegenheit.
    »Oh, ich werde es morgen abholen«, sagte er. »Sie sind so hübsch! Wollen Sie ausgehen?«
    »Ja, wir mussen ins Dorf. Es ist ja Schützenfest. Wir essen hier im Gasthaus zu Mittag. Vater, zieh dich endlich um. Deine Sachen liegen in der Ehekammer. Aber weiß mir, um Gottes willen, keinen Knopf ab.« Eva stöhnte leise und blickte auf die tickende Wanduhr.
    »Gestatten die Ladies, dass ich mich als Begleiter anbiete?« fragte der Gast.
    »Oh«, machte Eva überrascht.
    »Lass ihn«, raunte Linda. »Die Beißlwanger sollen ruhig Augen machen.«
     
    *
     
    Beißlwang war nicht sehr groß, von der Lage her so versteckt, dass sich kaum Fremde in den idyllischen Ort verirrten. Das Dörfchen wurde jahraus, jahrein kaum von nennenswerten Ereignissen heimgesucht.
    So war es eine Sensation, als die Palauers mit jenem aufregend gekleideten Fremden im Dorf auftauchten. Gaffend und mit offenen Mündern blieben die Leute stehen. Die Kinder umtanzten den Fremden johlend.
    Und irgendwann war es heraus: Ein Amerikaner war nach Beißlwang gekommen. So etwas hatte es noch nie vorher gegeben. Und wer diesen noblen Herrn bisher noch nicht gesehen hatte, eilte entweder in die Gaststube des Ochsenwirtes oder drückte sich, infolge Platzmangels von draußen die Nase an der Scheibe platt, um wenigstens einen Blick zu erhaschen.
    Die Aufregung war so groß, dass man darüber beinahe das eigentliche Ereignis, nämlich das Schützenfest, vergaß. Von nichts anderem wurde gesprochen, als vom Amerikaner in Beißlwang!
    In der Gaststube verscheuchte der dicke Ochsenwirt gleich ein paar seiner Stammgäste, um den Palauers mit ihrem noblen Logiergast Platz zu verschaffen. Lange bitten hatte er nicht mussen; man räumte den Tisch freiwillig. Dann rannte der Wirt in seine Küche, um seiner Wirtin Bescheid zu geben.
    »Wenn heut bloß das Fleisch nicht wieder so zäh ist wie beim letzten Mal«, jammerte er. »Dieser Mister wird eine Zeitlang in Beißlwang bleiben. Und am Ende kommt er alle Tage zum Essen zu uns.«
    Die Palauerleute genossen keinen schlechten Ruf. Dieser begann jetzt allerdings an eine gewisse Heiligkeit zu grenzen, denn einen Amerikaner, der obendrein steinreich sein sollte, hatte noch keiner unter seinem Dach haben dürfen. Man sah Alois den Stolz an, wenn er listig und verschmitzt um sich blinzelte und dabei mächtig seine Brust reckte.
    Eva war die Sache eher peinlich. Sie liebte es, im Gegensatz zu ihrer Schwester, nicht sonderlich, im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen.
    »Jetzt schau doch nicht alleweil so, Linda«, raunte sie daher der Schwester ins Ohr.
    »Lass mich nur schauen«, erwiderte Linda. »Die Leut sollen ruhig vor Neid platzen. Ja, zerreißen soll es sie.«
    Mr. Brown unterdessen studierte mit leicht gefurchter Stirn die Speisekarte.
    »Gibt es hier kein Steak?«, fragte er schließlich.
    »Mei, ich werd gleich nachfragen«, beeilte er sich zu versichern und watschelte in die Küche zurück.
    »Er will ein Steak«, sagte er atemlos zu seiner dürren Frau. Die blickte ihren dicken Mann verständnislos an.
    »Ein - was will der?«
    »Na, halt ein Steak, das ist ...«
    »Ein kurzgebratenes Rindfleisch«, kam Loni, die Küchenmamsell, zur Hilfe. »Wie ich noch mit dem Schani aus Wien gegangen bin, haben wir das öfter in der Stadt gegessen. Dort
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher