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Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee
Autoren: Jacques Berndorf
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Ich meine, hatten sie Angst, oder war jemand hinter ihnen her?«
    »Hinter Ole und Betty? Nicht doch, Junge. Die waren gut drauf, die waren wirklich gut drauf. Wir haben sozusagen einen Joke nach dem anderen gerissen. Dann kamen noch ein paar Kids und wollten Ecstasy. Aber das hatte Ole nicht.«
    »Aber sie hatten Haschisch für Sie?« fragte Rodenstock.
    Er nickte. »Hatten sie, hatten sie immer. Also, sie waren gut drauf, und Ole sagte, er würde im nächsten Jahr die Geschäfte besser machen. Ich fragte: Hast du denn keine Angst vor den Bullen? Er lachte nur und meinte, das ginge alles klar, die Bullen hätten andere Sorgen. Was ist jetzt, soll ich dem Vater sagen, ich kriege die drei Lappen zurück? Oder was?«
    »Was passiert, wenn du das Geld nicht hast?« fragte ich.
    »Ich komme in die Mangel«, murmelte er hellsichtig »Ich kann es Ihnen leihen«, schlug Rodenstock vor. »Wenn Sie mir eine Quittung unterschreiben.«
    »Mach ich, mach ich«, sagte Schniefke dankbar. Er sah mich an und erklärte großartig: »Baumeister kann bezeugen, daß ich immer ehrlich bin. Egal, was passiert, ich bin immer ehrlich.«
    Ich nickte, weil mir nichts anderes übrig blieb. Er nahm das Geld von Rodenstock, unterschrieb eine einfache Quittung und fragte: »Kannst du mir noch ein Bier für unterwegs mitgeben?«
    Ich konnte. In der Tür bat ich: »Kann ich dich anrufen, wenn ich noch etwas wissen will?«
    »Jederzeit«, antwortete er. »Die Nummer hast du ja.«
    Schniefke zog auf dem Weg zu seinem Auto eine wunderbar ästhetische Linie in den Schnee. Zu Beginn meiner Zeit in der Vulkaneifel hatte ich immer protestiert, einfach gesagt, es sei unverantwortlich, in so einem Zustand noch Auto zu fahren. Das hatte ich längst aufgegeben, nachdem ich erfahren hatte, wie viele Menschen hier an jedem Wochenende betrunken ihr Vehikel bewegen. Ganz stolz war mir berichtet worden, es gebe einen Milchwagenfahrer, der seit zwanzig Jahren an jedem Wochenende vierzigtausend Liter einsammelt und dabei voll wie eine Haubitze ist.
    »Er ist kein Zeuge, solange er besoffen ist«, sagte ich.
    Rodenstock nickte und teilte mit, er werde erneut ins Bett gehen.
    Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln, daß Ole und Betty Schniefke mittags um 12 Uhr in der Hähnchenstation getroffen hatten. Am Heiligen Abend. Jemand mußte sie also danach getötet haben. Irgendwie. Dann mußte dieser Jemand Heroin in die Leichen gespritzt haben. Schließlich hatte er sie dann in ihre Scheune transportiert. Oder, sie waren schon dort gewesen.
    Dann war das Feuer gelegt worden. Ich wußte, daß dieses Kind, Schappi, wahrscheinlich Antworten auf einige dieser Fragen hatte. Ich wußte auch, daß es schier unmöglich sein würde, an das Kind nochmal heranzukommen, ohne unangenehm aufzufallen.
    Von oben rief Rodenstock laut: »Wir werden den ganzen Heiligen Abend rekonstruieren müssen.«
    »Nicht nur den«, rief ich zurück. »Wir werden die Geschichte von Ole und seiner Betty verfolgen müssen. Die ganze gottverdammte Geschichte.«
    »Wieso gottverdammt?« fragte er gutgelaunt.
    »Weil Liebesgeschichten in der Eifel schweigend erledigt werden«, brummte ich. »Ehe dieses Bergvolk die Worte ,Ich liebe dich„ in den Mund nimmt, muß es entweder total besoffen sein oder total pleite. Die günstigste Voraussetzung ist geschaffen, wenn beide Zustände zugleich auftreten.«

ZWEITES KAPITEL
    Wie ich sehr viel später erfuhr, hatte aus einem nicht nachvollziehbaren Grund die Deutsche Presse Agentur ungewöhnlich spät reagiert und war erst gegen Abend des ersten Feiertages groß eingestiegen. Das hatte zur Folge, daß Briebisch von der Hamburger Redaktion mich gegen sechs Uhr morgens aus dem Bett holte und mir lautstark erklärte, wieso er mich um sechs anrufe. Ob ich etwas von diesem mysteriösen Brand gehört habe und ob ich eventuell bereit sei, ein kurzes Memo für die Redaktion zu schreiben, aus dem hervorgehe, daß das alles nicht wichtig genug sei, jemanden zu schicken oder sonstwie größer einzusteigen.
    »Es ist Weihnachten«, flehte er, »machen Sie mein spießbürgerliches Leben nicht kaputt!«
    »Aber es ist ein Fall«, sagte ich rachsüchtig. »Es handelt sich um einen Doppelmord.«
    »Ein einfacher Doppelmord ist aber nix für uns«, erklärte er erhaben.
    »Aber es ist insofern eine interessante Geschichte, als daß die beiden eigentlich dreimal umgebracht wurden: Erst getötet, dann kriegten sie Heroin, dann wurden sie verbrannt.«
    »Das ist doch unlogisch«, sagte
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