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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley
Autoren: Jacques Berndorf
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lächerliche Kilo reicht, die Klinke nach unten zu drücken. Willi muß also genetisch über Kenntnisse der Hebelwirkung verfügen, und ich kenne keinen Biologen, der dazu Kluges zu sagen weiß.
    Willi tauchte in das nasse Gras, hielt sofort die rechte Vorderpfote leicht hysterisch hoch und schüttelte sie, als habe er die Hölle betreten. Paul eilte zu ihm und leckte ihm über den Kopf, als wollte er sagen: »Macht nix, Junge, bis mittags ist das trocken.« Dann verschwanden die beiden hinter dem Haus, um durch die Katzenklappe ins Innere zu marschieren. Es wäre klüger gewesen, ihnen zu folgen.
    Ich hockte mich auf einen Stuhl, stopfte mir die Royal Briar von Savinelli, während die Sonne langsam kräftiger wurde.
    Drei Krähen kamen und griffen das Milanpärchen an. Sie schrien gewaltig, stoßweise und rauh, während die Milane mit hohen, schrillen, durchaus elitären Tönen reagierten. Es klang so, als wollten sie sagen, daß das nun wirklich nicht das Benehmen anständiger Vögel sei.
    Pfarrer Eich kam die Straße hoch und grüßte wie immer freundlich. Er trug ein Meßgewand unter dem leichten Mantel und hielt mit beiden Händen den Abendmahlkelch. Mein Nachbar Rudi Latten hatte mir erzählt, eine alte Frau liege im Sterben, schon seit langem. Es sei ein Elend mit ihr. Mochte sein, daß es zu Ende ging.
    Eich ging zügig mit kräftigen Schritten durch die Sonne. War das ein guter Tag zu sterben? Für jemanden, der müde war und das Leben gelebt hatte, sicher ja, denn das Land stand in voller Sommerpracht. Rudi Latten hatte gesagt: »Sie ist schon seit drei Wochen gar nicht mehr bei sich.«
    Die Zeitungsträgerin kam aus dem Oberdorf hinunter und warf den Trierischen Volksfreund in meinen Briefkasten. Ich ging und holte mir das Blatt, hörte aber bald auf zu lesen, denn das Bild, das die große wie die kleine Politik bot, war recht erbärmlich und bewies nicht den Hauch von Kreativität. Der Bundespräsident hatte den Bürgern des Landes eine kleingeistige Lähmung bescheinigt, und prompt versicherten alle Machthaber im Stil kleiner Rotzjungen, sie selbst seien zwar nicht gemeint, aber im Prinzip habe der Präsident recht. Am dämlichsten waren die Ausführungen des Sekretärs der Christlichen. Der Mann, gesegnet mit einem tief eingewurzelten Hang zur Lüge, sagte selbst dann nicht die Wahrheit, wenn sie ihm nutzen konnte. Nichts ist ärgerlicher als ein Mensch, der konstant leugnet, über ein Hirn zu verfügen.
    Geisterbleich erschien Dinahs Gesicht hinter dem Fenster zum Schlafzimmer. Sie hob beide Hände und deutete pures Entsetzen an. Ich rannte augenblicklich ins Haus.
    Willi hatte erfolgreich die Klinke der Badezimmertür bearbeitet und war mit seinem Erziehungsberechtigten Paul in die geflieste Pracht einmarschiert. Es ist unglaublich, was zwei Katzen anrichten können, wenn sie sich entschließen, ihrer wilden Lust nach Anarchie nachzugeben. Sie hatten sämtliche Handtücher aus dem großen Regal gefegt, das waren ungefähr dreißig. Willis ausgesprochen dämonische Vorliebe für Plastikbehältnisse hatte fröhliche Urstände gefeiert. Sämtliche Shampoos, Cremes, Rasierseifen, Nagellack, Nagellackentferner und so weiter und so fort waren im Chaos der Handtücher gelandet. Und da einige dieser Behältnisse nicht ganz verschlossen gewesen waren, erinnerte mich das Ganze an die Vorstellung der Ursuppe, die bei Schaffung dieses Planeten zur Verfügung gestanden hat. Über allem lag auf etwa dreißig Quadratmetern ein rosiger Schimmer, ein chemisch bedingter Hoffnungsschein. Der rührte daher, daß wir ein Melisse-Badesalz benutzten, dessen Drehverschluß wohl nachgegeben hatte. Ich konnte mir gut vorstellen, wie der allerliebste Willi hinter dem rollenden Melissefaß herjagte und dabei ein Erfolgserlebnis an das andere anknüpfte. Zum Schluß schien ihnen das Gesamtkunstwerk noch nicht gefallen zu haben, denn sie hatten sich auf Dinahs Beutel mit medizinischer Watte gestürzt, meinen roten und Dinahs weißen Bademantel erobert und runde acht Rollen Lokuspapier zu Hilfe genommen. Es war ein nahezu perfektes, farblich sehr subtil abgestimmtes Arrangement, so etwas wie Grafik auf höherer Ebene, Handwerk in feinster Vollendung.
    »Mein Gott«, hauchte Dinah, »das kostet mich anderthalb Stunden.«
    Leichtfertigerweise erklärte ich großspurig: »Das mache ich schon« und brauchte satte zwei Stunden.
    Die Katzen blieben selbstverständlich verschwunden. Wahrscheinlich hockten sie hinter dem Haus bei Andrea
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