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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley
Autoren: Jacques Berndorf
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fraß er die Tulpen, die Augen selig verdrehend, schmatzend.
    Jetzt war er tot.
    Sie stand in der Tür, und es fiel mir auf, daß sie ein blaugeblümtes Sommerkleid trug, ein fröhlicher Lichtblick. Warum, um Himmels willen, hatte ich automatisch Schwarz erwartet?
    Als habe sie gewußt, was ich dachte, murmelte sie: »Ich habe überhaupt nichts Schwarzes. Wer denkt schon an sowas?«
    »Niemand«, nickte ich. »Kannst du einen Kaffee brauen? Es tut mir leid, und ich denke, Dinah kann kommen und dir ein wenig helfen.«
    »Das wäre vielleicht gut«, sagte sie mit einer Stimme, die eigentlich keine war.
    Ich hockte mich in der Küche auf einen Stuhl und sah ihr zu, wie sie unsicher einen Filter in die Maschine legte, die Kaffeedose öffnete und dann abwesend Kaffeepulver hineinfüllte.
    »Schönen Dank, daß du gekommen bist. Obwohl... ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll.«
    »Du mußt nichts sagen.«
    Sie stand mit dem Rücken zu mir, nahm eine Milchkanne, ließ Wasser einlaufen und goß das kalte Wasser über den Kaffee in dem Filter. Dann stockte sie, schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Sie warf die Filtertüte mit dem nassen Kaffee in den Mülleimer, und ihre Hände waren ganz zittrig. Sie nahm eine neue Filtertüte.
    »Er war so ein guter Mann«, sagte sie hilflos. »Ich müßte Leute anrufen. Seine Eltern, meine Eltern. Meine Schwester. Er hat einen Bruder in Amerika. Was soll ich denen sagen? Was soll ich denen bloß sagen?«
    »Wenn ich dir etwas abnehmen kann ...« bot ich vage an. »Wo ist er denn?«
    »Im Krankenhaus. Hier im Krankenhaus. Ich darf ihn nicht sehen. Ich verstehe das alles nicht.«
    »Welcher Arzt ist gerufen worden? Weißt du das?«
    »Oben am Parkplatz heute nacht war es Doktor Salchow. Das ist der, der ihn auch durchgecheckt hatte. Aber im Krankenhaus ist es wohl jemand anderes. Ich weiß nicht, wer. Sie haben mich nicht durchgelassen, sie sagen, sie müssen nachschauen. Was müssen sie nachschauen?«
    »Ich weiß nicht. Bei unklaren Todesfällen müssen sie grundsätzlich obduzieren. Darf ich mal Dinah anrufen? Sie war nicht daheim, als ich losgefahren bin.«
    »Na sicher. Du weißt ja, im Wohnzimmer. Lieber Gott, jetzt gieße ich zum zweiten Mal kaltes Wasser auf den Kaffee.« Sie weinte nicht, sie schluchzte nicht, ihre Stimme war ganz leise und ganz trocken wie ein Hauch.
    Ich ging in das Wohnzimmer. Es war eines der Zimmer, wie ich sie mag. Viele Sessel, zwei große Sofas, kein Kitsch, keine Schrankwand mit dem Anspruch auf Gotik, vier große Regale, sehr viele Bücher. Und trotz Harros Spezialisierung auf Autos hatte er kein einziges Automodell aufgestellt, und es fand sich hier auch kein Motorradtank mit eingebautem Radio. Es war ein schnörkelloses Zimmer, um darin zu klönen, einen Wein zu trinken, den Gedanken nachzuhängen. Das Zimmer war wie Harro, freundlich, hell und ohne dunkle Ecken.
    »Ich bin es«, sagte ich. »Spatz, ich bin bei Petra in Adenau. Harro ist tot. Ich brauche dich dringend hier.«
    »Harro ist was?« Das klang schrill.
    »Kannst du kommen?«
    »Ich ... ich bin gleich da.«
    Ich ging zurück in die Küche. »Dinah kommt gleich. Kriegst du das mit dem Kaffee geregelt?«
    »Ja, jetzt läuft er durch. Glaubst du, da ist irgendwas faul?« Petra sah mich nicht an, mit rund gebeugten Schultern stand sie noch immer da neben der Kaffeemaschine.
    »Ich will ehrlich sein – nein. Aber du glaubst das, nicht wahr?«
    Jetzt drehte sie sich herum und blickte mich aus rotgeränderten Augen an. Sie nickte und drehte sich wieder zu der Kaffeemaschine.
    Ich wollte ihr etwas zu denken geben. Ich dachte, sie solle nicht in Trauer versinken, sie dürfe nicht ersticken an dieser Nachricht. »Du mußt dir darüber klar sein, daß du von Mord sprichst, wenn du vermutest, daß da etwas faul ist.«
    »Das weiß ich. Ich weiß auch, daß das verrückt ist.«
    »Hat ihn denn jemand bedroht?«
    »Nein, nicht, daß ich wüßte. Das hätte er sicher erwähnt.«
    »Da ist die Geschichte. Die für den Spiegel oder den Focus. Eine Rückrufaktion, die vermieden werden sollte ...«
    »Ja.« Sie setzte sich auf einen Stuhl und starrte tränenblind auf die Tischplatte. »Er hat die Unterlagen im Schreibtisch. Ich kann mir das nicht angucken, ich bringe das nicht. Es ist seine Geschichte, und er arbeitet seit drei Monaten daran und ...«
    »Ich kann mich später damit beschäftigen. Wo erreiche ich denn den Doktor, der ihn untersucht hat?«
    »Salchow? Der kann es auch nicht fassen.
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