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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley
Autoren: Jacques Berndorf
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Froom und lachten sich kaputt.
    Dann kam Werner.
    Werner ist das, was man als Gemeindearbeiter bezeichnet und was im Grunde eine sehr dürftige Bezeichnung für ein ganzes Spektrum von Berufen ist. Es ist vollkommen wurscht, ob die Straßen vereist sind, Kanäle verstopft oder ein Kindergartenspielplatz aufgestellt wird: Werner ist da, weil es ohne Werner nicht recht läuft. Der 36jährige ist eigentlich Tischler und eigentlich Forstwirt, eigentlich nebenerwerbstätiger Landwirt und eigentlich Vater zweier Töchter und Ehemann von Claudia, in welcher Reihenfolge auch immer. Werner jedenfalls ist Besitzer einer echten russischen Seitenwagenmaschine, gebaut nach BMW-Vorbild, sandfarben lackiert und Basis einer immerwährenden Frage ihres Besitzers: Warum führen Menschen Krieg miteinander? Mindestens einmal im Jahr schleppt Werner seine Claudia für eine Woche in die Normandie, um der Schrecklichkeit eines Krieges nachzuspüren, der Ewigkeiten vorbei zu sein scheint – und wohl niemals vorbei sein wird.
    Eben dieser Werner stand vor der Tür, und hinter ihm tuckerte eine Zugmaschine tschechischer Herkunft, eine Zetor. Werner sagte fröhlich: »Der Bürgermeister hat gesagt, du brauchst ein Loch für deinen Gartenteich.«
    »Brauche ich. Der Umriß ist mit Steinen markiert, größte Tiefe bei einszwanzig.«
    »Dann mach ich das mal«, sagte er, schwang sich auf sein Gerät und gab Vollgas. Das Leben Werners ist Vollgas.
    Hinter mir rief Dinah: »Ich halte das nicht aus, ich fahre nach Daun einkaufen.«
    »Tu das!« rief ich zurück. Dann fiepte mein Telefon, und nachdem ich gesagt hatte: »Ja, bitte?«, kam es wie ein Schwall.
    »Harro ist tot. Gestern abend. Sie sagen Herzinfarkt. Gestern abend irgendwann. Das muß man sich mal vorstellen. Auf einem Parkplatz. Harro auf einem Parkplatz. Sowas Irres. Kannst du mir helfen? Sie lassen mich nicht zu ihm. Harro war doch kerngesund. Sowas Verrücktes. Das ...«
    »Moment mal...«
    »Er war doch erst zweiunddreißig. Und dann ein Herzinfarkt! Sie sagen, sie können mich nicht zu ihm lassen, sowas Blödes. Er ist doch mein Mann, oder? Harro auf einem Parkplatz. Ich drehe durch, ich drehe wirklich durch. Ich werd verrückt. Harro auf einem Parkplatz. Wer soll das glauben? ...« Die Stimme brach, und die Frau begann laut klagend zu weinen und schluchzte ununterbrochen: »Oh, mein Gott! Oh, mein Gott!«
    Erst jetzt begriff ich, wer sie war.
    Werner im Garten stand unablässig auf dem Gaspedal, Dinah rauschte an mir vorbei und murmelte so etwas wie »Bis später, Schatz...«
    Vorsichtig sagte ich: »Petra, jetzt reiß dich doch mal zusammen. Was ist los?«
    Sie schniefte offensichtlich in ein Taschentuch, es klang wie eine Explosion. »Oh Gott, Siggi. Harro ist tot. Er ist wirklich tot. Ich fasse es nicht. Sie behaupten Herzinfarkt. Kann aber nicht sein. Er war doch erst vor drei Tagen beim Arzt. Zum Gesundheitscheck. Da war nichts, da war gar nichts, Siggi.«
    Harro. Großer Gott, ausgerechnet Harro! Er war einer der besten Motorsportjounalisten, die ich kannte. Unbestechlich, was in dieser Branche ziemlich selten ist. Aufrichtig. Ironisch. Mit der seltenen Gabe, sich über sich selbst amüsieren zu können. Harro, mein Gott.
    »Mit zweiunddreißig, Siggi! Da bekommt man doch keinen Infarkt!«
    »Aber so etwas gibt es wirklich, Petra. Unfaßbar, aber das gibt es. Mein Gott, das tut mir leid. Auf einem Parkplatz?«
    »Ja, ja, verrückt ist das! Auf der anderen Seite der Tribünen hier am Ring, du weißt schon, wo die großen Parkplätze sind. Da haben sie ihn heute nacht gefunden. Und ich darf nicht zu ihm! Sie wollen noch nachgucken, ich darf nicht zu ihm ...« Ununterbrochen redete sie weiter, als habe sie eine panische Angst vor jeder Pause.
    Langsam entstand ihr Bild vor mir. Sie war eine liebenswerte, klapperdürre Blondine, die sich nichts mehr wünschte als ein Kind von Harro und die es bisher nicht bekommen hatte. Eine Blondine mit unglaublich frecher Schnauze, einem Herzen so groß wie ein Fußballplatz und einem breiten Pferdelachen. Harro hatte immer gesagt: »Ohne sie bin ich nur ein Viertel!«
    Ich sagte beruhigend: »Du mußt verstehen, daß das menschliche Herz manchmal einfach nicht mehr mitmacht. Einfach so.«
    Sie schwieg eine Weile und bedachte das. »Das ist doch Blödsinn, Siggi. Harro war im Streß. Er hatte eine Riesenstory. Es war die Sorte Streß, die ich immer Plusstreß nenne. Und er lebt dann auch so, dann schmeißt ihn nichts um. Herzinfarkt! So ein
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