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Eifel-Jagd

Eifel-Jagd

Titel: Eifel-Jagd
Autoren: Jacques Berndorf
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beunruhigende Stille war in mir, eine mich tief verunsichernde
Erleichterung, und ich war sogar unfähig, Dinah zu verfluchen. Und: Ich hatte
eine Antwort auf die Frage, warum uns das geschehen war. Sie lautete: Wir haben
uns verloren, weil wir in unserem Alltag ertrunken sind. Die Chinesen sagen:
Glück ist immer nur ein Augenblick. Wir hatten alle diese Augenblicke verloren,
wir hatten übersehen, daß es sie gab.

    Ich legte die Videokassette Casablanca ein.

    In der Mitte des Streifens klopfte jemand an das Fenster, und
ich zuckte zusammen.

    Es war Kalle Adamek von Radio
RPR , und er schickte ein lautloses Grinsen zu Humphrey Bogart. Ich stoppte
den Film und öffnete ihm die Tür.

    Er war eilig, sagte »Hei!« und ging an mir vorbei in das
Wohnzimmer. Ein merkwürdiges Zucken dominierte sein schartiges Gesicht unter
den hellen Augen. Er hockte sich auf das Sofa und erklärte: »Nicht, daß du
glaubst, ich will dich verscheißern, aber im Wald liegt eine Leiche.«

    Â»Wieso sagst du das mir?«

    Â»Ganz einfach: Ich denke, du kennst Leute bei den Bullen oder
bei der Staatsanwaltschaft. Du kannst mir helfen, wenn du ein bißchen Zeit
hast.«

    Â»Wie sieht die Leiche denn aus?«

    Er lächelte. »Das weiß ich noch nicht. Es soll eine Frau sein,
ziemlich jung.«

    Â»Das Geschlecht müßte man ja eigentlich unschwer feststellen
können. Und wo liegt sie rum?«

    Â»Auf dem Weg zwischen Kopp und Weißenseifen. Aber eigentlich
dürften wir davon gar nichts wissen. Die Staatsanwaltschaft Trier hat ein
absolutes Schweigegebot ausgegeben. Die Pressestelle sagt, sie weiß nix von
einer Frauenleiche.«

    Â»Und woher weißt du das trotzdem?«

    Â»Ich kenne jemanden bei den Bullen, der mir ab und zu einen Tip
gibt.«

    Â»Und wer, bitte, ist das?«

    Â»Informanten sind heilig«, murmelte er trocken. Das war typisch
für ihn.

    Â»Was soll ich jetzt tun?«

    Â»Vielleicht ein bißchen rumtelefonieren? Und ich fahre dorthin.
Dachte ich mir so.«

    Â»Das finde ich nicht so gut«, sagte ich. »Ich würde mir gern
selbst die Dame an Ort und Stelle ansehen. Das Fleisch zu der Story kann ich
hinterher einsammeln, oder?« Erleichtert dachte ich, daß genau das mir gefehlt
hatte, daß genau das mich kurieren könnte.

    Â»Wo ist Dinah?« fragte er.

    Â»Bei ihren Eltern. Ihr Vater ist krank. Durch was ist die
Leiche denn zur Leiche geworden?«

    Â»Mein Informant hatte nur Sekunden Zeit. Aber tot ist tot.«

    Â»Na ja«, murmelte ich skeptisch. »Laß uns fahren. Wir nehmen
beide Wagen mit. Wer ist am Tatort, wenn es denn der Tatort ist?«

    Â»Die Wittlicher Kripo mit Staatsanwälten aus Trier.«

    Â»Weißt du, wie lange schon?«

    Â»Bestenfalls alles in allem eine Stunde. Der Laborwagen ist
jedenfalls noch nicht am Tatort eingetroffen.«

    Â»Du hast einen verdammt guten Informanten.«

    Adamek lächelte. »Kann man sagen«, nickte er.

    Eine Minute später fuhren wir, und wir fuhren schnell. Der
Himmel hatte eine vierfünftel Bewölkung, klare weiße Schäfchen ohne
Regendrohung, Temperatur um die 25 Grad, mein Land wirkte sommerlich, Grün in
allen Schattierungen bis zum Blau der Kiefern. Endlich gab es Schmetterlinge,
und glücklicherweise hatte die Straßenverwaltung es versäumt, sämtliche Gräben
zu mähen. Die nicht gemähten waren ein Blütenmeer, aber natürlich nicht gut
deutsch-sauber.

    In der Rechtskurve bei der Einfahrt nach Hohenfels-Essingen
kamen zwei Motorräder mit hohem Speed so dicht an Kalles Fiesta heran, daß er
sich glücklich schätzen durfte, sie nicht im Motorraum wiederzufinden. Und in
der Linkskurve aus Essingen heraus rutschte eine Honda-CBR auf der falschen
Seite einer Verkehrsinsel vorbei, wischte zwischen Kalles und meinem Wagen
durch, bremste dann brav, und der Fahrer tat so, als habe er das genauso
geplant. Fehlte nur noch, daß er in die Luft guckte und den River-Kwai-Marsch
pfiff.

    Durchfahrt Pelm, Talstraße Gerolstein mit dem Langzeitblick auf
die Hinterhöfe der Stadt, die öde und betongrau über den Parkplätzen thronen,
weil in der Brunnenstadt anscheinend niemand über einen Eimer freundlicher
Farbe verfügt. Die Bundesstraße 410 um die Burg in Lissingen herum, dann
endlich die Abzweigung nach Kopp – eine der schönsten Straßen in der Eifel mit
grandiosen
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